Taferln sind im Parlament nicht allzu gern gesehen, zumindest von Präsidiumsseite aus. Und so bat Nationalratspräsidentin Doris Bures die Abgeordneten der ÖVP, ihre tonlose Wortspende zu entfernen.

Foto: Lisa Nimmervoll

Wien – Die ÖVP setzt beim Flüchtlingsthema neuerdings auf Taferlkommunikation. Der erste Versuch – Vizekanzler, Innenministerin sowie Außen- und Justizminister halten mit betroffenen Mienen ein großes, weißes Taferl in die Kamera, auf dem der "ÖVP-Aktionsplan Asyl" skizziert ist – geriet zumindest in den sozialen Medien zum viralen Erfolg, weil weiße Taferln die ideale Unterlage für diverse Photoshop-Spielereien sind. Nachzuvollziehen unter dem Hashtag #taferlgate.

ÖVP gegen "Asyl à la Carte"

Am Mittwoch taferlte die ÖVP gleich in großer Gruppe wieder. Im Parlament tauchte während der Rede von Klubchef Reinhold Lopatka in der aktuellen Europastunde zum Thema "Die europäische und internationale Dimension der Flüchtlingskrise" aus den schwarzen Reihen ein Schilderwald auf, der den "Kampf gegen Schlepper!" oder "Kein Asyl à la carte" propagierte. Aber nicht alle wollten im Hohen Haus eine Sloganlitfaßsäule geben, Ex-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle etwa hielt sich auffällig raus.

Lopatka referierte das Vortagstaferl und rieb sich vor allem an der FPÖ, die er wissen ließ: "Die einfachen Antworten sind nicht immer die richtigen, und die richtigen sind nicht immer einfach."

Kurz will einen "Systemwechsel"

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) machte sich dann für einen "Systemwechsel hin zu mehr Hilfe vor Ort" stark, denn: "Wir unterstützen mit unserem System Schlepper." Zudem könnten mit dem Geld, mit dem in Österreich ein Asylwerber ein Jahr lang unterstützt werden könne, in der Türkei 19 versorgt werden. Politik müsse Strategien entwickeln und auch "Grenzen setzen, was Migration nach Europa betrifft".

Europa war an diesem Premierentag buchstäblich im Nationalrat präsent, denn zum ersten Mal überhaupt durften die österreichischen EU-Abgeordneten in ihrem nationalen Parlament mitreden, wenngleich etwas am Katzentisch bzw. auf Mitarbeiterbänken hinter der Regierungsbank und neben dem Präsidium platziert.

Die Argumentationslinien waren recht klar: SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos plädierten für eine europäische Lösung, FPÖ und Team Stronach wären lieber wieder für geschlossene Grenzen.

Europäische "Solidarität der Tat"

ÖVP-EU-Mandatar Othmar Karas beschrieb die Flüchtlingskrise als Beispiel, bei dem sich Europa solidarisch bewähren müsse, und zitierte Frankreichs Außenminister Robert Schuman, der 1950 die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorschlug und sagte: "Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen."

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder – mit einem Stück des 1989 abgebauten Eisernen Vorhangs – betonte: "Europa braucht gemeinsame Antworten" – aber keine neuen Zäune um Länder herum.

Auch Grünen-EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek erinnerte vor allem die FPÖ daran, "dass wir alle – alle 28 Länder – Europa sind. Solidarität geht nur gemeinsam."

Blaue Solidarität mit Orbán

Die Solidarität der Freiheitlichen war an diesem Mittwoch jedoch vor allem auf ein Land fokussiert. Mehrfach gab es Lob für Ungarn und Premier Viktor Orbán, aus Sicht der FPÖ quasi der letzte Hort der Rechtstreue in der EU: "Die Einzigen, die die europäischen Regeln noch beachten", sagte FPÖ-EU-Abgeordneter Harald Vilimsky. Nicht nur er nutzte die im TV live gebotene Gelegenheit, um die Zuschauerinnen und Zuschauer im Sinne der FPÖ an die bevorstehenden Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien zu erinnern. Wem die Asylpolitik der Regierung nicht passe, der "kann etwas dagegen tun" – "mit einer Stimme für die FPÖ". "Bravo! Bravo!", akklamierte die blaue Ecke.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache griff zu starken Worten, als er das später von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos mit Verfassungsmehrheit beschlossene Durchgriffsrecht des Bundes zur Schaffung von Flüchtlingsunterkünften in den Gemeinden (1,5 Prozent der lokalen Bevölkerung) als Umverteilung der Last "ihres Scheiterns, Unvermögens, Amtsmissbrauchs, ihrer Gesetzesbrüche" auf Länder und Gemeinden bezeichnete – zu stark. Es gab einen Ordnungsruf. (Lisa Nimmervoll, 23.9.2015)