Harmonisch und auch schrill: Don Alfonso (Marco Filippo Romano) und Despina (Elsa Benoit) in Wolfgang Amadeus Mozarts "Così fan tutte" am Klagenfurter Stadttheater.


Foto: Aljosa Rebolj

Klagenfurt – Das letzte Bild zeigt im Hintergrund Adam und Eva mit dem Feigenblatt. Da ist dieses scheinbar längst ausgedeutete Tableau vivant durch eine wie neugeborene Produktion von Mozarts Così fan tutte so angereichert, dass man die Zeit anhalten möchte. Mit einem instrumental wunderbar frischen, stimmlich berückend schönen und szenisch nicht eindringlicher denkbaren Abend gelingt dem Klagenfurter Stadttheater ein Traumstart in die neue Spielzeit. Das Publikum war verzaubert und wollte das dreieinhalb Stunden lang Erlebte irgendwann im Herzen in die Nacht hinaustragen, sonst hätten Applaus und Jubelrufe ewig gedauert.

Das Stadttheater konnte die südafrikanische Mezzosopranistin Golda Schultz nur über die Saison 2013/14 halten. Aber hier feierte sie ihre ersten Triumphe, und wenn sie jetzt auch an der Münchner Staatsoper engagiert ist und nächstes Jahr ihr Debüt an der Scala geben wird, für diese eine Produktion erhält das Kärntner Musikleben sie noch einmal zurück. Als eine Fiordiligi, die gesanglich ebenso präzise wie spielerisch leicht ist und die daneben noch neckisch die vielen kleinen Gesten ausführt, mit denen Regisseur Marco Storman die historischen Figuren raffiniert verheutigt. Man muss wahrscheinlich den Augenblick einfach genießen. Denn es ist ja so, dass auch Alexander Soddy, der das Kärntner Sinfonieorchester seit 2013 jedes Jahr zu noch bezwingenderen Partitur-Interpretationen treibt, mit Ende der Spielzeit nach Mannheim wechselt.

Einsicht in die Fehlbarkeit

Zum Spannendsten an der Oper zählt, dass der Librettist Da Ponte und der Komponist Mozart stellenweise verschiedene Geschichten erzählen. Während Fiordiligi und Dorabella sich laut Da Ponte vom Geschwätz ihrer aufdringlichen Verehrer noch belästigt fühlen, unterlegt Mozart ihren Melodienbögen bereits ein ziemliches emotionales Entgegenkommen. Und während die zwei Frauen nach ihrem Sündenfall dem Text nach eigentlich betreten sein müssten, schwelgen ihre Stimmen schon im hellen Triumph der Toleranz im mozartesten Sinn: Die realistische Einsicht in die eigene wie in die Fehlbarkeit des anderen ist die unbedingte Voraussetzung von so etwas wie einer zukunftsträchtigen Lebensgemeinschaft.

Die Einrichtung (Frauke Löffel) kommt im Wesentlichen mit ein paar transparenten Prospekten aus, die, wenn es um Krieg geht, mit roten Spritzern, wenn es um Beziehungsillusionen geht, mit bunten Seifenblasen bemalt sind. Dahinter ziehen schemenhaft wie durch das Unterbewusstsein diejenigen, die vorne gerade vergessen werden. Wo die von Sara Schwartz entworfenen Kostüme nicht heutig, sondern historisch wirken, werden sie, wie bei den mühlradgroßen Hüten mit schwarzen Scheiern für die zwei Strohwitwen, ins Skurrile gezogen. Es lässt sich gar nicht alles Schöne berichten.

Aber das muss noch sein: Die Stimmen des Ensembles, alles jüngere Kräfte aus der vermeintlich zweiten Reihe, klopfen international kräftig an. Anna Pennisis Dorabella, Nikos Kotenidis' Guglielmo, Matthew Newlins Ferrando und Marco Filippo Romanos Don Alfonso harmonieren in allen Konstellationen. Elsa Benoits ein bisschen schrillere Despina entspricht durchaus auch dem Kalkül der Komposition. Und die Verkleidung des von Günter Wallner vorbildlich einstudierten Chors als dünnbeinige Bacchanten dem angesagten "Dramma giocoso". (Michael Cerha, 23.9.2015)