Andrea Mayr trifft die Doppelbelastung aus Sport und Beruf hart. Sie muss viele Wettkämpfe absagen. Eine Profikarriere interessiert sie jedoch nicht mehr: "Nur Sport wäre mir zu einseitig."

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Andrea Mayr will nach London 2012 noch einmal zu Olympia und in Rio 2016 den Marathon bestreiten.

Foto: APA/ EXPA/ Johann Groder

Interview mit Andrea Mayr nach dem Rekordlauf beim Linzer Halbmarathon.

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Geht es per pedes in atemberaubendem Tempo bergauf, dann ist Andrea Mayr ganz in ihrem Element. Geht es jedoch nicht nur rauf sondern auch runter, dann lässt das die gebürtige Welserin ziemlich kalt. Die 35-Jährige hat 2006, 2008, 2010, 2012 und 2014 jeweils den WM-Titel im Berglauf gewonnen. Wenn es in ungeraden Jahren auch darum geht, runter zu laufen, dann verzichtet sie auf ein Antreten.

Berglauf-WM 2015 kein Thema

So gesehen war das Fernbleiben der Titelverteidigerin bei den diesjährigen Weltmeisterschaften, die am vergangenen Wochenende im walisischen Betws y Coed stiegen, überhaupt nicht verwunderlich. "Wäre es bei der WM heuer nur bergauf gegangen, dann wäre mir die Entscheidung, abzusagen, schon sehr schwer gefallen", sagt sie dem STANDARD. Mutmaßungen, dass ihr das Gelände im eher sanft-hügeligen Wales zu wenig anspruchsvoll gewesen wäre, weist sie prompt zurück.

Doppelbelastung

Mayr sieht sich aktuell mit dem Problem konfrontiert, dass Beruf und Sport manchmal gar nicht unter einen Hut passen. "Bei mir fallen fast drei Viertel aller Wettkämpfe auf Grund von Wochenenddiensten aus", sagt die im Krankenhaus Vöcklabruck engagierte Chirurgin, die zuletzt vier von fünf Wochenenden arbeiten musste und so unter anderem auch die Staatsmeisterschaft im Halbmarathon versäumte.

Auszeit

Eine Profikarriere als Ausweg aus der Doppelbelastung kommt für die Oberösterreicherin aber nicht mehr in Frage. "Ich will grundsätzlich kein Profi mehr sein, nur Sport wäre mir zu einseitig", gesteht sie. Eine vorübergehende Auszeit für ein paar Monate zwecks optimaler Vorbereitung wäre allerdings schon vorstellbar. Dann nämlich, wenn sie die Qualifikation für Olympia in Rio de Janeiro 2016 schafft. Nicht im Berglauf, der ist nicht Teil des Olympia-Programms, sondern im Marathon. Das Limit liegt bei 2:34 Stunden und das will sie am 25. Oktober in Frankfurt knacken.

London, Linz, Rio

Ein Umstieg auf die Marathon-Distanz kommt für die Berglaufspezialistin aber nicht in Frage. Beim Linzer Halbmarathon im Frühjahr, den sie in neuer, österreichischer Rekordzeit von 1:11:34 Stunden bewältigte, hat sie Lunte gerochen und sich gedacht, dass auch das Olympialimit über die Marathondistanz nicht so weit weg ist. Die Verlockung ist groß und sie möchte "das Großereignis Olympische Spiele noch einmal erleben". In London wurde sie in einer Zeit von 2:34.51 Stunden 54. Illusionen bezüglich einer Topplatzierung macht sie sich neuerlich keine. "Mir ist völlig bewusst, dass es mir nicht möglich ist, bei Olympia im Spitzenfeld mitzumischen".

Trainierend pendeln

Aktuell ist das Training stark von ihrer Arbeit abhängig. "Ich setzte mich um 6 Uhr in der Früh auf das Rad und fahre 22 Kilometer in die Arbeit, am Abend fahre ich wieder zurück und dann gehe ich laufen". So verbindet sie "das blöde Pendeln mit etwas Sinnvollem". Muss sie eine 25-Stunden-Schicht schieben, fährt sie über einen Umweg, ein paar Berge, nach Hause, geht nach dem Frühstück schlafen und trainiert erst am Abend wieder. Hat sie frei, trainiert sie zweimal täglich, in der Früh und am Abend.

"Ich zähle weder Kalorien, noch Vollkornkörner"

Wer glaubt, dass eine Topathletin wie Andrea Mayr bei der Nahrungsaufnahme einem strengen Menüplan folgt, irrt. Sie lässt sich von den Regeln hipper Ernährungslehre nicht verrückt machen: "Ich esse alles, worauf ich Gusto habe, egal ob das Proteine oder Kohlenhydrate sind und ich verzichte auch nicht auf Schokolade oder Kekse. Ich zähle weder die Kalorien, noch die Vollkornkörner". Allerdings versucht sie, alles selbst zu kochen. Fertigprodukte kommen ihr nicht auf den Tisch. Von Vorteil ist, dass sie nie ein Problem mit ihrem Körpergewicht hatte. "Weder in die eine noch in die andere Richtung", wie sie betont.

100 Prozent

Dass Berglauf wesentlich anstrengender als Laufen in der Ebene wäre, lässt Mayr nicht gelten. "Ich laufe im Flachen und am Berg 100 Prozent, generell so schnell ich kann". Laktatwerte interessieren sie nicht, eine Pulsuhr benötigt sie nicht. "Man merkt eh, ob man sich anstrengt oder nicht. Ich bin gesund und muss nicht auf meinen Puls achten".

Sehr wohl aber achtet sie darauf, dass es richtig anstrengend wird. "Es macht mir wirklich Spaß, mich zu quälen und zu schauen, wie schnell ich es rauf schaffe. Das fühlt sich gut an". Nur locker dahinlaufen wie Hobbyläufer interessiert sie nicht. (Thomas Hirner, 23.9.2015)