Griechenland wird kaum als Stätte islamischen Kulturerbes wahrgenommen. Zu Unrecht, wie diese Moschee des osmanischen Militärgouverneurs Mehmed Beg aus dem späten 15. Jahrhundert im nordgriechischen Serres zeigt.

Foto: Maximilian Hartmuth

Wien – Ohrid ist zweifellos eine Reise wert. Die charmante mazedonische Provinzstadt am gleichnamigen See wurde bereits 1980 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Sie verfügt über diverse historische Bauwerke, darunter ein spätantikes Amphitheater und mehrere mittelalterliche Kirchen. Der Klosterkomplex Sankt Panteleimon dagegen wurde erst 2002 eingeweiht. An seiner Stelle befand sich bis zur Jahrtausendwende ein osmanisches Gebetshaus: die Imaret-Moschee, welche selbst wiederum auf den Fundamenten einer frühchristlichen Basilika und eines mittelalterlichen Klosters stand.

Die Moschee wurde kurzerhand abgerissen. Sie musste dem "Wiederaufbau" von Sankt Panteleimon weichen. Ein problematisches Vorgehen, meint der Kunsthistoriker Maximilian Hartmuth von der Universität Wien. Man zerstört ein Baudenkmal aus dem 15. Jahrhundert und ersetzt es durch eine "Fantasiekirche". Wie die ursprüngliche Klosteranlage wirklich aussah, weiß niemand.

Die internationale Presse nahm von dem Vorfall praktisch keine Notiz. Dabei teilte die Imaret-Moschee ihr Schicksal mit der weltberühmten Brücke von Mostar und der Ferhadija-Moschee in Banja Luka. Auch diese beiden Monumentalbauten wurden gezielt in Trümmer gelegt. Sie galten vielen als Zeugnisse einer fremden, oft verhassten Kultur, die tunlichst verschwinden sollten. Anders als in Bosnien-Herzegowina jedoch war die Zerstörung osmanischer Baudenkmäler in der ehemals jugoslawischen Republik Mazedonien weniger ausgeprägt, wie Hartmuth erklärt. Während der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Norden des Landes fielen auch Kirchen der Gewalt zum Opfer.

Das Osmanische Reich fasste im 14. Jahrhundert auf dem europäischen Kontinent Fuß und dehnte sich bis 1683 beständig gen Norden aus. Weite Teile des Balkans standen noch 1912 unter seiner Herrschaft. Während dieser Ära wurden zahlreiche Moscheen, Badehäuser und andere Gebäude errichtet. Ihnen gilt Hartmuths besonderes Interesse. Die Wissenschaft hat diese Denkmäler bislang kaum beachtet, sagt er. Zu lange konzentrierten sich seine Kollegen auf die Architektur Istanbuls. Dort, so hieß es, könne die Essenz osmanischer Baukunst am besten studiert werden. "Die Monumentalbauwerke des Balkans sind dadurch praktisch unsichtbar geworden."

Anders als anderswo in Europa lässt sich die osmanische Baukunst nicht in klar abgrenzbare Stilepochen gliedern, sagt Hartmuth. Es gebe keine Äquivalente zu Gotik, Renaissance oder Barock. Stattdessen unterscheidet der Kunsthistoriker vier strukturell verschiedene Phasen osmanischer Bautätigkeit auf dem Balkan. Die erste betrifft die Etablierung der Hegemonie im Süden der Halbinsel. Das Imperium steckte noch in den Kinderschuhen. Die damaligen Emire und Sultane sicherten ihre Regentschaft mithilfe regionaler Machthaber, und diese wiederum setzten sich selber gerne Denkmäler. Würdenträger gründeten Vakfs, Stiftungen, und ließen gemeinnützige Gebäude nach ihren eigenen Vorstellungen errichten.

Zunehmende Zentralisierung

Nach der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 setzte eine Zeit der Konsolidierung ein. Das Reich wurde nun zunehmend zentralistisch von der neuen Hauptstadt Istanbul aus regiert. Die lokalen Herren verloren ihre Privilegien, für Extravaganzen war kein Platz mehr. Aber es wurde weiter gebaut. Die Ohrider Imaret-Moschee entstand in dieser Periode. Sie diente nicht nur als Gebetshaus und Unterkunft, sondern hatte auch eine Suppenküche – wie üblich für Kostgänger aller Religionen.

Bald schickte Istanbul sogar genaue Baupläne in seine Provinzen. Besonders gut zeigt sich dies an der 1560-61 erbauten Ali-Pasa-Moschee in Sarajevo und zwei weiteren, praktisch identischen Gotteshäusern in derselben Stadt, erklärt Hartmuth. "Dieser Bautyp wurde dutzendfach exportiert." Der Stil sei zwar noch immer monumental, doch die Dimensionen auf Regionalniveau zurechtgestutzt. Die ortsansässigen Vertreter des Sultans durften keine überbordenden Ambitionen umsetzen. "Die Architektur dieser Moscheen stand immer in Verbindung mit dem Rang der Bauherren", sagt Hartmuth.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts kam es erneut zu einer Phase dezentralisierter Bautätigkeit. Neue Eliten gewannen zeitweilig an Macht und ließen ihrem eigenen Geschmack freien Lauf. Die Bunte Moschee im nordmazedonischen Tetovo ist ein herausragendes Beispiel dieser Stilrichtung, die keine war. Die einzige echte Gemeinsamkeit der Baudenkmäler aus dieser Ära ist ihre Ungleichheit.

Selbstbewusste Bauten

Während des 19. Jahrhunderts trat indes eine neue Sorte Monumentalbauten in Erscheinung. Die Istanbuler Zentralmacht zeigte ihre Präsenz auf dem Balkan nun durch die Errichtung von Schulen, Bahnhöfen, Kasernen und diversen Verwaltungsgebäuden. Abgesehen davon begannen zunehmend selbstbewusste christliche Gemeinden mit der Errichtung großer Kirchen wie der orthodoxen Kathedrale in Sarajevo. "Das", meint Hartmuth, "hat so in der klassischen osmanischen Stadt gefehlt und veranschaulicht die veränderte Stellung der Christen im spätosmanischen Reich."

Seit August 2014 arbeitet Hartmuth zusammen mit seinem Wiener Vorgesetzten Markus Ritter im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts an einer Neuevaluierung osmanischer Baudenkmäler auf dem Balkan.

Der Fokus liegt dabei auf Mazedonien und der osmanischen Expansionsphase bis etwa 1520. Hartmuth sieht Hinweise auf eine zeitweilige Begünstigung dieses Gebiets gegenüber anderen Regionen. Skopje spielte, als Grenzstadt zu christlichen Territorien, offenbar eine sehr wichtige Rolle, meint der Kunsthistoriker. "Es wurde ein Brückenkopf geschlagen." Praktisch ein Schaufenster der osmanischen Kultur und des Islam. Detaillierte Analysen der noch existierenden Bauten aus dieser Zeit und Rekonstruktionen sollen schon bald tiefere Einblicke ermöglichen. (Kurt de Swaaf, 25.9.2015)