Der australische Songwriter Robert Forster zeigt sich auf seinem neuen Album "Songs To Play" auf der Höhe seiner Kunst. Im Dezember tritt er im Wiener Theater Akzent auf. Ein Kirchgang steht an.

Foto: Stephen Booth

Wien – Es ist ganz einfach. Es geht um Geheimnisse, Romantik und die Verführungskraft des Unbekannten. Diese Gewürze des Lebens veranlassen Menschen, verrückte Dinge zu tun. Immer noch. Sie kaufen sich Alben oder Bücher bloß wegen der Covers, sie verlieben sich platonisch oder fühlen sich von Liedern angesprochen, die am anderen Ende der Welt geschrieben werden. Früher verantwortete oft bloßer Informationsnotstand diese Würze, da dachte man beim Wort Netz noch ans Fischen oder an Haare.

Robert Forster pflegt diese Magie bis heute. "Please don't twitter", singt er, "let me imagine you, I find it sweeter." Das trieft und ist doch frei von Kitsch. Denn formal herrscht in Forsters Musik trotz Herzoffenheit eine gewisse Strenge. Eine Ökonomie, die sich Allzuschwelgerisches verbietet.

Der australische Songwriter Robert Forster zeigt sich auf seinem neuen Album "Songs To Play" auf der Höhe seiner Kunst. Im Dezember tritt er im Wiener Theater Akzent auf. Ein Kirchgang steht an.
Foto: Stephen Booth

Robert Forster hat es in diesem Fach zur Meisterschaft gebracht. Sein neues Album beweist das, wieder einmal. Es heißt Songs to Play. So lapidar titeln nur Meister, und der Australier ist einer.

Forster gilt als einer der besten Songwriter des Subkontinents, die Strahlkraft seiner Arbeit erreicht Fans auf dem ganzen Erdball. Erreicht hat er diese Reputation mit der Band The Go-Betweens. Mit seinem Songwriter-Partner Grant McLennan kam diese Formation Ende der 1970er-Jahre über die Welt und kreierte eine Musik, die sich an New Yorker Vorbildern wie den Talking Heads oder The Velvet Underground orientierte. Und an der Folkmusik der 1960er. Und an Dylan. Und an französischem Kino. Und ausgewählten Dichtern. Und, und, und ...

Das ergab einen Fundus, aus dem die Go-Betweens ihre eigene Ästhetik schufen und im Laufe der Jahre zu einer fünfköpfigen Band wuchsen, die beinahe weltberühmt geworden wäre. Ihr Folk-Pop stand für viele auf Augenhöhe mit der Musik der Smiths, fand den Weg ins Vorprogramm von R.E.M., verendete aber Ende der 1980er an der Summe menschlicher Unzulänglichkeiten, die eine Band im Laufe der Jahre so ansammelt. Bevor sie sich zerfleischt hätten, trennten sie sich im Guten.

Musikalisches Testament

Die 1990er verbrachten McLennan und Forster als Solokünstler. Beide veröffentlichten wunderbare Alben, denen nur eine Kleinigkeit fehlte: der jeweils andere.

Anfang der Nullerjahre gründeten sich The Go-Betweens neu, waren erfolgreicher denn je, schufen große Alben wie Oceans Apart, dessen Song Finding You hierzulande über eine Werbung zum Hit wurde. Dann starb Grant McLennan, mit 48. 2006 war das. Am Nachmittag seiner Housewarming-Party legte er sich schlafen und erwachte nicht wieder. Das war der Tag, an dem die Go-Betweens aufhörten zu existieren.

Forster veröffentlichte 2008 das musikalische Testament der Band: The Evangelist. Als Solokünstler finalisierte er mit McLennan begonnene Songs. Ein Nachruf von erhebender Schönheit. Sieben Jahre später veröffentlicht er nun Songs To Play. In der Zwischenzeit wurde den Go-Betweens in ihrer Heimatstadt Brisbane eine Brücke gewidmet, Forster genießt sein Dasein als Kultfigur, pflegt das Erbe der Go-Betweens und geht als Renaissance-Man diversen Neigungen nach. Er ist ein höflicher Dandy – deutsche Frau, zwei Kinder – und mit 58 künstlerisch in Bestform.

Höfliche Kompromisslosigkeit

Schon der Opener Learn To Burn klingt wie die Heimkehr eines alten Freundes. Ein Lied wie eine Umarmung, aber verdreht genug, um nicht bloß altbekannt zu wirken. Einfach, aber nicht simpel. Ein Stück, dessen feingliedrige Instrumentierung einen ebensolchen Sturm entfacht, wie es Go-Betweens-Lieder früher taten. Mit Songs über stille Herzen oder Erinnerungen an Straßen in der Heimatstadt.

tapeterecords

Seine Frau Karin Bäumler spielt eine fantastische Geige, die Band rekrutiert sich aus den australischen John Steel Singers. Die könnten seine Söhne sein, erweisen sich aber als so energische wie geduldige Mitstreiter. Dermaßen gestärkt, gönnt Forster sich den ersten Bossa nova seiner Karriere oder bemüht mexikanische Hörner. Beides vereinnahmt er mit höflicher Kompromisslosigkeit, ohne seine musikalische Identität zu verwässern.

Diese ist knapp, pointiert und warm. Stellenweise lässt er sich ein wenig treiben, gibt den Versuchungen des Unbekannten nach, schaut, wohin sie ihn führen. Songs To Play wird so zu einer weiteren Perle in Forsters Gesamtwerk, das an Meisterwerken nicht gerade arm ist. Natürlich ereilen einen Phantomschmerzen, sehnt man sich nach den Songs, mit denen McLennan früher die Wolken eines Frühlingsregens zur Seite schob, während Forster noch seine Gummistiefel föhnte.

Doch Lieder wie I'm So Happy For You erreichen auch ohne kongeniale Unterstützung mühelos den Gitarrenpophimmel. Sie sonnen sich in der Leichtigkeit der Zeitlosigkeit, gleichzeitig besitzen sie eine Dringlichkeit, die einem Lied wie A Poets Walk dank Bäumlers Geige eine cineastische Dramatik verleiht. Grant McLennan wäre angetan von Songs To Play, er würde sich für Forster freuen. (Karl Fluch, 21.9.2015)