Bild nicht mehr verfügbar.

Erleichterung nach der Wahl. Tsipras hat wiederholt hoch gepokert und gewonnen.

Foto: rEUTERS

Bild nicht mehr verfügbar.

Die griechischen Wähler haben ihm zwar ein zweites Mandat gegeben, viele Wähler blieben der Abstimmung aber fern, weil sie das Gefühl haben, sowieso von der EU und deren Sparvorgaben gelenkt zu werden.

fOTO. rEUTERS

Athen – Überraschend deutlich hat das Linksbündnis Syriza die Wahl in Griechenland gewonnen – und sein Parteichef so die erstrebte Rückendeckung der Wähler bekommen. Nach Auszählung fast aller Stimmen lag die Syriza nach Angaben des Athener Innenministeriums vom Montagmorgen bei 35,47 Prozent der Stimmen. Der größte Herausforderer, die Nea Dimokratia (ND) unter Evangelos Meimarakis, kam auf 28,09 Prozent.

Tsipras verständigte sich noch am Wahlabend mit dem Vorsitzenden der Unabhängigen Griechen (Anel), Panos Kammenos, auf eine Wiederauflage der Koalition. Er könnte bereits am Montag als Ministerpräsident vereidigt werden. Tsipras setzt Schuldenerleichterungen an die Spitze seiner Agenda. "Wir führen die Verhandlungen mit den Geldgebern fort, wobei die Schuldenfrage die erste und wichtigste Schlacht sein wird", sagte ein Vertreter von Tsipras' Partei Syriza am Montag.

Bonus von 50 Mandaten

Die zweitgrößte Fraktion im neuen Athener Parlament stellt die konservative Nea Dimokratia, die 28,09 Prozent erreichte. Sie kommt in dem 300 Sitze zählenden Abgeordnetenhaus auf 75 Mandate. Wegen eines Bonus' von 50 Mandaten für den Wahlsieger stellt die Syriza 145 Mandate, vier weniger als bisher. Mit den zehn Sitzen der Unabhängigen Griechen (3,69 Prozent) liegt Tsipras vier Stimmen über der absoluten Mehrheit. Auf dem dritten Platz folgt die faschistische Goldene Morgenröte, die mit 6,99 Prozent 18 Mandate erhält. Es folgen die sozialdemokratische Pasok (6,28 Prozent, 17 Sitze) und die Kommunisten (5,55 Prozent, 15 Sitze). Insgesamt kamen acht Parteien über die Drei-Prozent-Hürde.

Dass Tsipras die Wahl so klar gewinnt, hatten die Demoskopen nicht auf dem Zettel. Bis zuletzt sagten sie ein Kopf-An-Kopf-Rennen mit der Nea Dimokratia vorher. Deren Chef Vangelis Meimarakis gratulierte Tsipras noch am Wahlabend und forderte ihn auf, eine Regierung zu bilden.

Reformprogramm

In seiner Siegesrede auf einem zentralen Platz in Athen wandte sich Tsipras mit den Worten an die Wähler: "Für Europa und Griechenland steht das griechische Volk heute als Synonym für Widerstand und Würde." Tsipras war im Jänner erstmals ins Amt gekommen mit dem Versprechen, den Reformkurs der Eurozone zu verlassen. Unter dem Druck der nahenden Staatspleite hatte er dann aber ein drittes Reformprogramm unterschrieben und war im August zurückgetreten, nachdem die Syriza daran zerbrochen war.

Das Hilfs- und Reformprogramm sichert dem seit 2010 vom Kapitalmarkt abgeschnittenen Land weitere 86 Milliarden Euro zu, wenn die Reformen umgesetzt werden. Die erste Überprüfung findet im Oktober ab. Dann steht auch eine erneute Bestandsaufnahme des Schuldenbergs an, der im kommenden Jahr auf über 200 Prozent des BIP wachsen dürfte. Einen Schuldenerlass lehnen die anderen Euro-Länder ab; ein solcher "Haircut" würde tiefe Löcher in ihre eigenen Etats reißen. Eine erneute Verlängerung der Fristen für die Kreditrückzahlung schließen sie aber nicht aus. Außerdem soll darauf geachtet werden, dass jährlich zu zahlender Zins und Tilgung 15 Prozent des BIP nicht übersteigt, was aus ihrer Sicht tragfähig ist. Alleine bei den anderen Euro-Ländern steht das Land mittlerweile mit fast 200 Milliarden Euro in der Kreide.

EU-Vertreter sehen Programm nicht gefährdet

Im Wahlkampf hatte Tsipras zugesagt, die Vereinbarung mit den Geldgebern umzusetzen. Für sozial Schwache will er aber Erleichterungen vereinbaren. Griechenland hat derzeit nicht nur mit Reformen zu kämpfen, sondern auch mit der Flüchtlingskrise. Es stünden harte Zeiten bevor, sagte Tsipras. Eine Besserung der Lage werde nicht durch Zauberei erreicht werden, wohl aber durch harte Arbeit. Eurogruppen-Chef Dijsselbloem twitterte, er wolle Griechenland bei seinen ehrgeizigen Reformvorhaben begleiten.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nannte die Wiederwahl eine "beeindruckende Leistung": "Der Mann hat schon strategische Meisterleistungen vollbracht im Verlauf dieses Jahres", sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Er (Schulz) habe aber kein Verständnis für die erneute Koalition mit den Rechten. Dass das Rettungsprogramm noch einmal in die Debatte komme, erwarte er nicht, sagte Schulz. Schwerpunkte müssten jetzt Investitionen und mehr Beschäftigung vor allem für junge Menschen sein. Die Dauerkrise und das politische Hin-und-Her haben die griechischen Wähler müde gemacht. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 56,5 Prozent nach 63 Prozent im Jänner. An der Börse in Athen wurde der klare Wahlausgang erleichtert aufgenommen. (Reuters, APA, red, 21.9.2015)


- Nachlese Livebericht zum Montag

- Nachlese Livebericht vom Sonntag: Griechenland: Syriza gewinnt Parlamentswahlen

- Kommentar: Zweite Chance für linken Regierungschef