Unter die Helfer, die die Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof empfingen, mischten sich auch ein paar Salafisten

Sie verteilten Schokolade und andere Süßigkeiten an ankommende Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof: Unter den zahlreichen freiwilligen Helfern war auch eine kleine Gruppe von Salafisten auszumachen, die versuchten, mit Ankommenden ins Gespräch zu kommen – mit mäßigem Erfolg. Kaum ein Flüchtling hatte Zeit, sich auf Gespräche mit ihnen einzulassen. Verständlich, rekrutierte die Terrormiliz "Islamischer Staat" doch einige ihrer Kämpfer aus den Reihen der österreichischen Salafisten-Szene.

Der Verfassungsschutz beobachtet diese Aktivitäten der radikalen Islamisten. "Sollte es einen Verdacht auf strafbare Handlungen geben, wird eingegriffen", sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck zum STANDARD: "Der Verfassungsschutz ist aufmerksam."

Auch in Deutschland aktiv

Der Salafismus ist eine religiöse und politische Bewegung im Islam, die nur von einer kleinen Minderheit der Muslime getragen wird. Er sieht in der islamischen Rechtsprechung, der Scharia, die einzig legitime Staats- und Gesellschaftsform und lehnt dementsprechend westliche Demokratien ab. Die Übergänge zwischen politischem und dschihadistischem Salafismus, dem gewaltbereiten Zweig, sind fließend.

Auch in Deutschland tauchten Salafisten bei Flüchtlingsunterkünften und Bahnhöfen auf. Sie sprachen gezielt unbegleitete Jugendliche an, die ohne ihre Familien auf der Flucht sind und nach Anschluss und Halt suchen.

Dieser Art der Sozialarbeit gilt als Markenzeichen der Islamisten, die immer auftauchen, wenn junge muslimische Männer vor gravierenden, oft existenziellen Problemen stehen und dadurch empfänglich für ihre radikalen Botschaften sind. Eine starke Vereinfachung des Islam dient ihnen dabei als Vehikel.

Keine Hinweise auf Terrorkämpfer

Dass Salafisten auf Bahnhöfen mit IS-Terroristen in Kontakt treten, ist möglich, aber unwahrscheinlich. Es gebe keine Hinweise darauf, dass islamistische Terrorgruppen die Flüchtlingsströme nutzen, um Kämpfer nach Europa zu schicken, stellte Gerhard Schindler, Chef des deutschen Bundesnachrichtendienst (BND), vergangene Woche in einem Interview fest. Daran hat sich nichts geändert, sagte eine Sprecherin des Geheimdienstes im STANDARD-Gespräch.

Die Terrorkämpfer seien schlicht nicht darauf angewiesen, diese beschwerlichen und waghalsigen Wege auf sich zu nehmen, sie könnten einfach mit gestohlenen oder gefälschten Papieren in ein Flugzeug steigen. Die eigentliche Gefahr gehe nämlich nach wie vor von jenen aus, die Deutschland und andere europäische Länder verlassen haben, um sich in Syrien oder dem Irak dem Dschihad anzuschließen. (Markus Sulzbacher, 19.9.2015)