Die EU unternimmt in der kommenden Woche einen erneuten Anlauf, um doch noch eine geeinte Antwort auf die aktuelle Flüchtlingskrise zu finden. Ratspräsident Donald Tusk hat am Donnerstag via Kurznachrichtendienst Twitter einen EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs für Mittwoch kommender Woche angekündigt. Zuletzt hatten Österreich und Deutschland vehement auf einen Gipfel gedrängt.

Bereits einen Tag vor den Regierungschefs wollen die EU-Innenminister erneut versuchen, einen Konsens zur Verteilung der Flüchtlinge in der EU zu finden. Die Kommission hatte ja vorgeschlagen, 120.000 Asylwerber aus Italien, Griechenland und Ungarn auf andere Staaten zu verteilen. Vergangene Woche gelang den Innenministern im Rat nur ein Minimalkonsens, der die Verteilung von etwas mehr als 30.000 Asylwerbern vorsieht. In einem seltenen Schritt haben Deutschland und Frankreich letztlich durchgesetzt, dass ein Positionspapier der luxemburgischen EU-Präsidentschaft, in dem die volle Quotenaufteilung verpflichtend gefordert wird, mit Mehrheitsbeschluss angenommen werden soll.

EU-Parlament segnet Quotenvorschlag ab

Dies ist außergewöhnlich, weil im Rat in der Regel auch dann mit Konsens gearbeitet wird, wenn Mehrheitsentscheidungen möglich sind. Das Positionspapier enthält aber bisher nicht viel mehr als Forderungen – dass Berlin und Paris kommende Woche per Mehrheitsbeschluss den Verteilungsplan verbindlich durchsetzen, ist zweifelhaft. Das EU-Parlament macht jedenfalls Druck in der Sache und hat am Donnerstag auch den zweiten Beschluss gefasst, um die Quote von 120.000 voll abzusegnen – "ein wichtiger Schritt", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Wien.

Die Runde der Regierungschefs kann laut EU-Vertrag keine verbindlichen Beschlüsse treffen, de facto werden politische Beschlüsse dort immer einstimmig gefasst. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat aber bereits angekündigt, dass sie bei dem Treffen nicht über Quoten sprechen will. Stattdessen könnten neue Unterstützungsmaßnahmen für die Nachbarländer Syriens, wie die Türkei und den Libanon, beschlossen werden.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn kündigte am Donnerstag an, EU-Mittel im Umfang von einer Milliarde Euro für die Türkei zur Bewältigung der Flüchtlingskrise lockerzumachen. Er will die EU-Vorbeitrittshilfen so umschichten, dass sie geografisch für Flüchtlinge verwendet werden. Hahn verteidigte den Vorschlag der EU-Kommission, die Türkei zum sicheren Herkunftsland zu erklären. In Anspielung auf Ungarn warnte Österreichs EU-Kommissar vor einem neuen Eisernen Vorhang in Europa.

Türkei für Sicherheitszone

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will eine Sicherheitszone in Nordsyrien einrichten. Dort, so meint Erdoğan, könnte auch für syrische Flüchtlinge ein sicherer Rückzugsraum geschaffen werden. Doch die USA und die EU sehen die Vorschläge sehr skeptisch. Denn die türkischen Angriffe auf Kurdenstellungen in der Region zeigen, dass Ankara noch eine andere Agenda hat. Und vor der anstehenden Parlamentswahl in der Türkei wird Erdoğan ohnehin vorgeworfen, eine nationalistische Stimmung zu schüren.(András Szigetvari aus Brüssel, 17.9.2015)