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Flüchtlinge an der Grenze zwischen Serbien und Kroatien am Mittwoch.

Foto: EPA/DAVOR STOJNEK

Zagreb – Nach der Schließung der ungarischen Grenze zu Serbien ist die Zahl der auf Kroatien ausgewichenen Flüchtlinge weiter gestiegen. Binnen 24 Stunden sind laut Polizei rund 5.650 Flüchtlinge in Kroatien eingetroffen. Über die östliche Grenze des EU-Mitgliedslands kämen aus Serbien immer weitere Flüchtlinge an.

Kroatien ist zu einer Ausweichroute für die tausenden Flüchtlinge geworden, die von Griechenland kommend über die Balkanroute nach Mittel- und Nordeuropa gelangen wollen. In den vergangenen Wochen waren sie vor allem über Ungarn gekommen, das EU-Land hatte jedoch am Dienstag seine Grenze zu Serbien abgeriegelt und verschärfte Gesetze in Kraft gesetzt, die etwa Haftstrafen bei "illegalem" Grenzübertritt vorsehen.

Korridor in den Westen

Die EU-Länder Kroatien und Slowenien stellen sich schon länger auf die Durchreise tausender Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens ein. Der kroatische Regierungschef Zoran Milanović kündigte am Mittwoch an, dass aus Serbien kommende Flüchtlinge das Land passieren dürften. Sollte es notwendig werden, werde in Absprache mit Slowenien ein Korridor in Richtung Österreich eingerichtet, sagte Kroatiens Innenminister Ranko Ostojić.

Milanović erklärte im Parlament, die Menschen, die Kroatien erreichten, könnten durchreisen. "Diese Leute sind da, es sind Frauen, Kinder und Männer, die leben und etwas erreichen wollen." Es seien jedoch Menschen, die nicht in Kroatien bleiben wollten. Schon am Mittwochvormittag griff die kroatische Polizei hunderte Flüchtlinge auf.

Slowenien: "Kein Korridor geplant"

Slowenien plant jedoch keine Flüchtlingskorridore in den Westen. Innenministerin Vesna Györkös Znidar dementiert am Mittwochabend ein solches Vorhaben. "Das würde gegen EU-Recht verstoßen", sagte sie bei einer Pressekonferenz. Hingegen macht Slowenien die Grenzen noch dichter, um Mitternacht wurden an der Grenze zu Ungarn vorläufig Grenzkontrollen eingeführt.

Die Idee von Korridoren, wie Kroatien sie ankündigte, hält Györkös Znidarfür "völlig inakzeptabel". "Auch Kroatien ist EU-Mitglied. Slowenien wird seine Verpflichtungen aus dem EU-Recht einhalten. Wir erwarten das Gleiche von Kroatien", betonte sie. Die beiden Innenminister haben laut Györkös Znidar allerdings am Mittwoch darüber gesprochen, dass Slowenien Kroatien unter die Arme greifen würde, sollte dieses vom Flüchtlingszustrom überfordert werden. Györkös Znidar deutete an, dass Slowenien – abhängig von der Situation und eigenen Kapazitäten – auch Flüchtlinge von Kroatien übernehmen könnte.

Mikl will Kontrollen an Grenze zu Slowenien

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will indes auch an der slowenischen Grenze mit Kontrollen beginnen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) reist am Donnerstag zu Krisentreffen mit den slowenischen und kroatischen Regierungschefs nach Ljubljana und Zagreb.

Weniger Flüchtlinge in Ungarn

Nach Ungarn kommen seit der Schließung der Grenze viel weniger Flüchtlinge. Am Dienstag zählte die Polizei 366 aufgegriffene Menschen, wie sie am Mittwoch auf ihrer Homepage mitteilte. Kurz vor Torschluss am Montag waren es noch 9.380 gewesen. Außerdem traten an jenem Tag in Ungarn neue Gesetze gegen Flüchtlinge in Kraft.

So können Asylwerber das Land nur noch über "Transitzonen" – Auffanglager unmittelbar an der Grenze zu Serbien – erreichen. Ihre Aussichten, Asyl zu erhalten, sind minimal, da Ungarn Serbien zum sicheren Drittland erklärt hat. Die Tumulte am Mittwoch spielten sich in der Nähe einer dieser "Transitzonen" ab.

Erste Verurteilung in Ungarn wegen Grenzzauns

Die neuen ungarischen Gesetze stufen die Überwindung und Beschädigung des Grenzzauns als Straftat ein. In der südungarischen Grenzstadt Szeged wurden deshalb 35 Strafverfahren eingeleitet. Im ersten Fall dieser Art wurde am Mittwoch das Urteil gefällt. Ein Iraker wurde nach 80-minütiger Verhandlung für ein Jahr des Landes verwiesen. Das Urteil ist rechtskräftig, weil der Mann auf Berufung verzichtete.

Für die Grenzzaun-Vergehen können Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Die Strafen sind jedoch nicht in Ungarn abzubüßen. Die Verurteilten werden in diesem Fall aus dem Land abgeschoben. (APA, red, 16.9.2015)