Zeitungen schreiben am Mittwoch zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze:

"Berlingske" (Kopenhagen):

"Wenn das größte und mächtigste Land der EU, Deutschland, vorübergehend Kontrollen an seiner Grenze zu Österreich einführt, ist das ein Zeichen dafür, dass die Schengen-Zusammenarbeit ernsthaft hakt. Wenn die Slowakei, Tschechien, Belgien und Österreich etwas Ähnliches tun oder es in Erwägung ziehen, ist das ein Ausdruck dafür, dass das System mit offenen Binnengrenzen zwischen den EU-Ländern direkt bedroht ist und dass Grenzkontrolle und Schlagbäume Europa wie im Domino-Effekt Jahrzehnte zurückwerfen können. Damals bedeutete eine Reise durch Europa, dass man je nach Länge der Reise zehn oder 20 Mal kontrolliert und gebeten wurde, den Pass vorzuzeigen."

"De Telegraaf" (Amsterdam):

"Die unangefochtene Königin der EU hat gesprochen und sie hat erklärt, in der Flüchtlingskrise nicht zurückrudern zu wollen. Die große Frage ist, ob die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Europa damit in eine Krise ungekannten Ausmaßes stürzt oder die Grundlage für ein solidarisches und multikulturelles Europa legt. Es fällt auf, dass sie ihren einst so charakteristischen vorsichtigen Stil des Abwartens und Schauens, wie sich die Stimmung entwickelt, hinter sich gelassen hat. Vielleicht zum ersten Mal in ihrer politischen Karriere läuft Merkel den Truppen voraus. (...) Es scheint, dass ihre Reaktion auf die Krise bestimmt wird durch einen moralischen Kompass, an dem sie nicht zweifelt. Allerdings ruft Merkel auch zur Solidarität auf. 'Allein können wir das nicht schaffen', sagt sie. Doch ohne Deutschland steht Europas Räderwerk still. So mächtig ist Merkel."

"Berliner Morgenpost":

"Deutschland hielt kurz die Luft an, sogar Horst Seehofer. Was hatte die Kanzlerin gesagt? 'Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.' Das war gefühlshaltiger als die üblichen Floskeln mit Ausstiegsoption. So klar haben wir Angela Merkel selten erlebt. Die begnadete Nicht-Festlegerin, die protestantische Emotionskontrolleurin zeigte zum ersten Mal in ihrem politischen Leben, wie sie Patriotismus definiert, und zwar durchaus pragmatisch. Man muss weder Angela Merkel noch ihre Politik schätzen. Aber ihr Ausbruch ist verständlich. War Merkels Mahnwort nur ein hartes Signal an die Seehofers? Oder deutet sich da erstmals Wundsein an, dieses schleichende Verzweifeln an einem Land, dem man es nie recht machen kann? Bitterkeit ist eine Krankheit, die neben der Einsamkeit noch jeden Kanzler befallen hat. Auch bei Angela Merkel ist es irgendwann soweit. Aber wann?"

"Süddeutsche Zeitung":

"Der Generalplan für die Aufnahme, Verteilung und Integration von Flüchtlingen in Deutschland und Europa fällt nicht über Nacht vom Himmel. Aber an diesem Plan muss mit Kraft Herz und Verstand gearbeitet werden. Daran fehlt es. Und das ist der Richtlinienkompetenz zweiter Teil: Historische Entscheidungen verlangen historische Anstrengungen. Es reicht nicht, wenn die Kanzlerin ihre Entscheidung mit ungewohnter Verve verteidigt; sie braucht ihre Minister, sie braucht die Gesellschaft dieses Landes, sie muss Verwaltung, Industrie und Wirtschaft gewinnen; dazu die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände – die Menschen. Sie braucht das ganze Land."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Dass die Verteilung der Flüchtlinge der größte Streitpunkt bleibt, ist keine Überraschung. Über Jahre hinweg war man in Europa daran gewöhnt, Asylbewerber als das Problem anderer Staaten zu betrachten oder es dazu zu machen. Auch die Bundesregierung, die jetzt so vehement Solidarität einfordert, hat lange so gedacht... Deutschland und Österreich wollen nun ein rasches Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Das ist sicherlich eine gute Idee, denn wie schon in der Eurokrise müssen Kompromisse gesucht werden... Das wahre Druckmittel lautet Mehrheitsabstimmung. Die von Berlin, Paris und Brüssel gewünschten Quoten ließen sich in diesem Fall über den Kopf der Osteuropäer hinweg beschließen. Für den Zusammenhalt der EU wäre allerdings auch das eine höchst riskante Operation."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Die europäische Ebene ist zentral, aber innenpolitisch ist der Zugzwang, in dem sich die (deutsche) Kanzlerin befindet, nicht geringer. Ohne Einvernehmen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer ist es nicht möglich, den Andrang der Flüchtlinge zu bewältigen. Die Länderchefs waren in den vergangenen Tagen vor allem durch Larmoyanz aufgefallen. Die Politik leidet aber generell unter zunehmender Überforderung, die durch die euphorisch beschriebene Hilfsbereitschaft gerne überdeckt wird." (APA, 16.9.2015)