"Open, open!", schrien tausende Flüchtlinge am Grenzübergang Horgoš. Ungarn hat am Dienstag die Grenze zu Serbien geschlossen. Sechzehn Flüchtlinge konnten den Stacheldrahtzaun durchschneiden und sich Zugang in die EU verschaffen. Tausenden blieb das aber verwehrt. "Flüchtlinge, die im Niemandsland steckenbleiben, dürfen wieder zurück nach Serbien", erklärte Serbiens Arbeits- und Sozialminister Aleksandar Vulin. Diejenigen jedoch, die die ungarische Grenze passieren, werde Serbien nicht wieder aufnehmen.

Serbiens Behörden befürchten den Ausbruch einer humanitären Katastrophe, wenn unzählige Flüchtlinge in ihrem Land steckenbleiben. Es sei "inakzeptabel", dass Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Nordafrika aus Ungarn nach Serbien abgeschoben werden, erklärte Serbiens Außenminister Ivica Dačić. Serbien wolle helfen, doch es sei kein "Aufnahmezentrum". Das Land sei eingezwängt zwischen zwei Teilen der EU, die nicht zusammenarbeiten. Serbien werde so ein "Kollateralschaden" der unkoordinierten europäischen Flüchtlingspolitik. Dačić forderte daher dringend EU-Hilfe, um die enormen Flüchtlingsbewegungen bewältigen zu können.

Rumänien oder Kroatien

Nach dem Inkrafttreten repressiver Maßnahmen in Ungarn erwägen die Flüchtlinge in Serbien alternative Wege, um in die EU zu gelangen: entweder im Osten über Rumänien oder in der anderen Richtung über Kroatien, um so den 175 Kilometer langen ungarischen Stacheldrahtzaun entlang der Grenze zu Serbien zu umgehen. Das kroatische Webportal "dnevnik.hr" schrieb, dass unter Flüchtlingen Angst herrsche, auf der alternativen Westroute auf Minenfelder aus dem serbisch-kroatischen Krieg von 1991 bis 1995 zu stoßen. Budapest verkündete, wenn notwendig, einen Stacheldrahtzaun auch entlang der Grenze zu Kroatien und Rumänien aufzurichten.

Beobachter vor Ort berichteten, dass es in Serbien noch keine größeren Bewegungen der Flüchtlinge in Richtung Rumänien oder Kroatien gebe. Behörden in Zagreb befürchteten jedoch, dass sich das in Kürze ändern könnte und bald tausende Flüchtlinge ankommen werden. Experten in Serbien sind sich auf alle Fälle sicher, dass der Flüchtlingsstrom durch "Stacheldraht und verschärfte Grenzkontrollen" nicht aufgehalten, sondern lediglich verlangsamt werden könne. Falls es Budapest tatsächlich schafft, seine Grenzen dichtzumachen, werden sie wohl Ungarn ganz umgehen.

Der alternative Weg würde durch Serbien oder durch Bosnien nach Kroatien und dann weiter nach Slowenien und Österreich führen. Das Endziel bleibt gleich: Deutschland. In Kroatien kontrollieren rund 6.000 Polizeibeamte die Grenzen. Die Behörden haben angekündigt, alle ankommenden Flüchtlinge vorschriftsgemäß zu registrieren. Die Unterkunftskapazitäten reichen laut offiziellen Angaben derzeit für rund 3.000 Menschen.

Eine andere Route könnte aus Mazedonien über Albanien und Montenegro nach Kroatien führen. Weder der jüngste EU-Staat Kroatien noch Bosnien, Montenegro oder Albanien wären auf die Ankunft tausender Flüchtlinge vorbereitet. (Andrej Ivanji aus Belgrad, 15.9.2015)