Graz – Lange galten Antibiotika als unumstrittenes Wundermittel bei bakteriellen Infektionen – von der Lungenentzündung bis zur Blutvergiftung. Doch der über Jahrzehnte allzu sorglose Einsatz von Antibiotika hat einen hohen Preis: Immer mehr Keime wappnen sich gegen die einstige Wunderwaffe und werden resistent. Mit welcher Geschwindigkeit das erfolgt, zeigt sich an dem Umstand, dass bereits vier Jahre vor der Marktzulassung von Penizillin im Jahr 1944 Resistenzen beobachtet wurden. Wahre Brutstätten für resistente Bakterien – insbesondere für den verbreiteten methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) – sind zum einen Tiermastfabriken, wo dem Futter Antibiotika beigemischt werden, die über Billigfleisch letztlich auch im Konsumenten landen.
Wo es den Keimen gefällt
Ein anderer Hotspot gefährlicher Keime sind Krankenhäuser. Verschärfend kommt in diesem Fall hinzu, dass der multiresistente Erreger gerade bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem bis zum Tod führen kann. Im EU-Raum sterben jährlich an die 50.000 Menschen an einer derartigen Infektion.
Diese Zahlen machen deutlich, dass nicht nur der Antibiotikaeinsatz vorsichtiger und gezielter erfolgen muss, sondern dass es auch dringend Diagnoseinstrumente zum routinemäßigen Aufspüren der gefährlichen Keime braucht. "In den skandinavischen Ländern werden entsprechende Tests in Krankenhäusern schon sehr stark eingesetzt", erklärt Stefan Köstler von der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research. Dadurch konnten die Probleme mit Krankenhauskeimen deutlich reduziert werden."
Da diese Tests nicht ganz billig sind, werden sie allerdings noch nicht flächendeckend verwendet. "Je südlicher das Land, desto geringer die dafür eingesetzten Mittel", weiß der Forscher. Um leistbare Testvorrichtungen für eine flächendeckende Kontrolle in allen Krankenhäusern zur Verfügung stellen zu können, wurde von Joanneum Research das EU-Projekt "R2R Biofluidics" initiiert. Gemeinsam mit neun Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft wollen die Werkstoffexperten ein neues In-vitro-Diagnostik-System zur Bestimmung antibiotikaresistenter Keime entwickeln, das schnell, einfach und deutlich kostengünstiger ist als die zurzeit verfügbaren Systeme. Die Basis dafür ist eine spezielle Fertigungsmethode: Mit dem Rolle-zu-Rolle-(R2R-)Prägeverfahren können flexible Kunststofffolien mit hochpräzisen Strukturen im Mikro- und Nanobereich großflächig hergestellt werden. Joanneum Research verfügt über eine dafür erforderliche, europaweit einzigartige "UV-Nano-Imprint-Lithografie-Anlage (R2R)".
"Das R2R-Verfahren funktioniert im Prinzip wie die moderne Zeitungsdrucktechnik", erläutert Projektkoordinator Stefan Köstler. "Es lassen sich damit funktionelle mikrofluidische Strukturen in einem sehr großen Maßstab herstellen, wodurch der Stückpreis drastisch gesenkt werden kann." Schon jetzt wird diese Prägetechnik etwa bei der Herstellung von Hologrammstrukturen auf Geldscheinen oder in Reisepässen eingesetzt. "Allerdings hat man hier noch nicht so hohe Anforderungen, wie man sie für das Aufspüren resistenter Keime braucht", so Köstler. Forscher von Joanneum Research haben die Technik deshalb weiterentwickelt, sodass sie nun auch für kleinere Strukturen und damit neue Anwendungen eingesetzt werden kann. Mit dieser Technologie werden etwa reibungsvermindernde Folien für Flugzeugoberflächen hergestellt oder optische Mikrostrukturen für Photovoltaikanlagen und Beleuchtungskörper.
Nun will das internationale Forscherteam die hochpräzise und sparsame Fertigungsmethode auch für die Massenproduktion von Mikrolaboren zur Überführung der gefährlichen Krankenhauskeime fit machen. In spätestens vier Jahren soll ein entsprechender Prototyp präsentiert werden. "Die Mikrofluidik erlaubt eine einfache Handhabung und schnelle Durchführung der diagnostischen Tests", betont Stefan Köstler. "Durch zusätzliche optische Nanostrukturen sollen zudem deutlich geringere Konzentrationen der Keime als bisher nachweisbar werden."
Tests ohne Tierversuche
Parallel dazu arbeiten die Forscher an einem zweiten Prototyp, um die Anwendbarkeit der neuen Produktionsmethode auch im Bereich der Medikamententestung zu demonstrieren. "Unser Ziel ist die Entwicklung einer In-vitro-Testmethode, für die menschliche Nervenzellen auf einem strukturierten Trägermaterial fixiert und dank veränderter Oberflächen zu einem geordneten Wachstum angeregt werden", erklärt der Forscher. So sollen neue Wirkstoffe sicher, kostengünstig und mit weniger Tierversuchen getestet werden. Ein weiterer Vorteil: In den Mikrolaboren können Bedingungen nachgebildet werden, wie sie im menschlichen Gewebe herrschen. Diese Tests sind vermutlich aussagekräftiger als im Tierversuch gewonnene Daten, die oft nur mit beträchtlichen Vorbehalten auf den Menschen übertragbar sind. (Doris Griesser, 20.9.2015)