Der Indopazifische Aal (Anguilla marmorata) und sein naher Verwandter Anguilla megastoma nehmen ein hunderte Kilometer lange Reise auf sich, um für Nachwuchs zu sorgen.

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Wien/Salzburg – Eines der großen ungelösten Rätsel der Biologie dreht sich um die Kinderstuben des pazifischen Aals. Wo diese gegenüber dem europäischen Aal wesentlich größeren Aale geboren werden und welche Reisen sie bewältigen müssen, war bisher unbekannt – doch nun ist es einem Salzburger Wissenschafter gemeinsam mit internationalen Kollegen gelungen, dieses Mysterium aufzuklären. Mit Satellitensendern und der Hilfe Einheimischer konnten die Forscher rund um Robert Schabetsberger die Laichgebiete dieser Süßwasserfische orten und nebenbei auch herausfinden, welche Strapazen sie für ein Mal im Leben Sex auf sich nehmen.

Bereits in der Antike rankten sich zahlreiche Mythen um die Fortpflanzung der schlangenartigen Fische. Weil niemand laichende oder trächtige Aale fand, meinte Aristoteles, dass sie sich aus Würmern bilden, die wiederum spontan aus Morast entstehen. Später glaubte man, dass Aale sich aus Schuppen von erwachsenen Tieren entwickeln, die sie an Steinen abreiben, aus Pferdeschweifen, Käfern, Süßkartoffeln oder von einem ähnlich aussehenden Fisch, den man "Aalmutter" nannte.

Schließlich fand jedoch der Italiener Carlo Mondini 1777 unreife Eier in einem Aal, und seine Landsleute Giovanni Battista Grassi und Salvatore Calandruccio erkannten 1897, dass kleine Fische, die schon als neue Art beschrieben wurden, in Wirklichkeit Aallarven waren. Der dänische Biologe Johannes Schmidt entdeckte schließlich, dass die europäischen Aale über 5.000 Kilometer durch den Atlantik schwimmen, um in der Sargassosee südlich der Bermudainseln zu laichen. Wo die doppelt so großen pazifischen Aale ihre Jungen zeugen, blieb aber weiterhin rätselhaft.

Hungern im Salzwasser

Aale verbringen ihr Erwachsenenleben im Süßwasser. Die tropischen Aale der Arten Anguilla megastoma und Anguilla marmorata zum Beispiel in dem Kratersee Lake Letas auf der Südpazifikinsel Gaua, die zum Inselstaat Vanuatu nordöstlich von Australien gehört. Der 100 Meter tiefe See wird von einem aktiven Vulkan mit Nährstoffen versorgt und ist voller Shrimps. Diese reiche Nahrungsquelle haben die Aale auch nötig, denn sie müssen sich für ihre lange Reise zu ihren Laichgebieten im Meer fettfressen. Sobald sie im Salzwasser sind, fressen sie nämlich nichts mehr.

Zum Laichen verlassen sie ihr Inselparadies und wandern ins Meer. Bereits auf der Insel erschweren ihnen formidable Schwierigkeiten den Weg. Zunächst müssen sie sich einen 120 Meter hohen Wasserfall hinabstürzen, dann in einem reißenden Fluss zum Meer schwimmen. Dort warteten Robert Schabetsberger vom Fachbereich Zellbiologie der Universität Salzburg und seine Kollegen, um die Fische mit Satellitensendern zu markieren. Es gelang ihnen zwar selbst nicht, passende Aale zu fangen, doch die lokalen Fischer ließen sich durch ein "Kopfgeld" motivieren, welche an Land zu ziehen.

"Die erwachsenen Aale sind größer als 1,3 Meter und haben ungefähr fünf bis sechs Kilogramm", erklärte Schabetsberger. Mit drei chirurgischen Drähten wurden tischtennisballgroße Sender an ihren Rücken befestigt. Sie sollten mehrere Monate lang während der Reise der Fische dort bleiben und sich dann ablösen, um ihre Aufzeichnungen an Satelliten zu senden.

Nach Tagesanbruch in die Tiefe

Die Auswertungen dieser Daten verrieten den Forschern einige, wenn auch nicht alle Geheimnisse der Paarungs-Reise der pazifischen Aale. "Wir konnten nachweisen, dass die Aale während ihrer monatelangen Wanderung die Nächte in etwa 200 Metern Tiefe bei etwa 23 Grad Celsius verbringen, und sich nach Tagesanbruch in 800 Metern Tiefe und fünf Grad Celsius vermutlich vor Haien und anderen Raubfischen in Sicherheit bringen", so der Forscher.

Wie sie sich dabei orientieren, wisse niemand. "Sie haben einen Magnetsinn und einen sehr feinen Geruchssinn", so Schabetsberger, der seine Ergebnisse im Fachjournal "Marine Ecology Progress Series" veröffentlicht hat. Es gäbe auch viele andere Möglichkeiten wie über Strömungen und polarisiertes Licht.

Die beiden untersuchten Aalarten trugen die Sender schließlich 850 Kilometer weit nordwestlich des Aussetzungspunktes, wo sie offensichtlich ihre Laichgebiete haben. Diese sind wohl nicht strikt getrennt, denn sie mischen sich öfters und bilden Hybride. Nach dem Laichen sterben die Altfische, und ihre skurril aussehenden, blattförmigen Larven werden von Meeresströmungen in Richtung der "Heimatinseln" ihrer Eltern zurückgetrieben, was nach Berechnungen mehr als ein halbes Jahr dauert.

Tausendfache Kletterpartie

Mit etwa sechs bis maximal zwölf Monaten kommen also die Jungaale wieder zurück zu Inseln wie Gaua, wo der unüberwindbar anmutende 120 Meter hohe Wasserfall sie vom Kratersee trennt. Die Forscher konnten zu ihrem Erstaunen erstmals filmen, wie die kleinen Aale dort zu tausenden über die nassen steilen Felsen neben dem Wasserfall hinaufkletterten.

Aale sind beliebte Speisefische und wegen der hohen Fangraten, Gewässerverbauungen und -Verschmutzung teils stark gefährdet. Nur wenn man ihre Lebensweise und Biologie kennt, könne man sie effektiv schützen, betonte der Forscher. (APA/red, 15.9.2015)