Er hätte eigentlich seine Abwahl als Vorsitzender der Liberal Party of Australia kommen sehen müssen. Doch gerade das war seine Schwäche: die Wahrnehmung realer Gegebenheiten. Montagmorgen hatte Tony Abbott Berichte über seine bevorstehende Entmachtung als Parteichef und Premier noch als "Gemauschel aus Canberra" abgetan – wenige Stunden später war er seinen Job los.

Es war nicht die Opposition, sondern seine eigene liberalkonservative Partei, die die Notbremse zog. Sie hatte genug von Abbotts autoritärer Attitüde, von seiner Starrsinnigkeit, von seiner abstrusen Realitätsverweigerung in Fragen Migration, Klima, Soziales oder Energie. 54 zu 44 Stimmen – das ist eine deutliche Sprache, die klarmacht, dass die Partei einen neuen Kurs will für das Land.

Kapitän soll nun also Malcolm Turnbull sein, der steinreiche 60-jährige Ex-Banker mit sozialem Gespür. Im Vergleich zu Abbott gilt er als geradezu progressiv – so fortschrittlich, dass auf den Stirnen der oppositionellen Labor-Politiker schon jetzt große Sorgenfalten sichtbar werden: Gegen jemanden wie Abbott zu wettern, der Kohle "gut" und den Klimawandel "scheiße" fand, war eine vergleichsweise leichte Fingerübung. Turnbull aber vertritt wesentlich zeitgemäßere und mehrheitsfähige Positionen. Es wird schwer werden für Labor, die Wahl 2016 zu gewinnen – denn wahrscheinlich wurde Abbott von den eigenen Leuten gerade noch rechtzeitig vor die Tür gesetzt. (Gianluca Wallisch, 14.9.2015)