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Hinter den Mauern der Justizanstalt Josefstadt soll ein Beamter eine Insassin vergewaltigt haben.

Foto: APA/Roland Schlager

Wien – Als Nina Steindl, Vorsitzende des Schöffensenats, das Urteil verkündet, schluchzt die Ehefrau des Angeklagten laut auf: Wegen Vergewaltigung und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses muss der 41-jährige Vater ihrer beiden Kinder nicht rechtskräftig dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Das Gericht ist davon überzeugt, dass er als Justizwachebeamter in der Haftanstalt Josefstadt einen weiblichen Häftling zweimal vergewaltigt habe.

Eine Überzeugung, die sich primär auf die Aussage des Opfers stützt. Denn die Zeugen und Zeuginnen, die am letzten Prozesstag auftreten, zeichnen ein widersprüchliches Bild des Angeklagten.

Einig sind sich alle nur, dass er ein ungewöhnlich netter Beamter war – einmal versorgte er beispielsweise im Sommer 2012 die Insassinnen einer Acht-Frauen-Zelle mit Eis. Er erkundigte sich auch stets nach dem Befinden der Frauen.

Als Frauenheld verschrien

Laut manchen sei er aber eindeutig zu nett gewesen. Eine Zeugin, damals ebenso Häftling, schildert, dass er bei seinen Kollegen als Frauenheld verschrien gewesen sei und diese die Augen verdreht hätten, wenn ihm eine weitere inhaftierte Putzfrau auf das Herren-WC gefolgt sei.

Einmal habe sie selbst Gestöhne aus einer Toilettenzelle gehört, könne aber nicht sagen, ob der Angeklagte der männliche Part gewesen sei. Sie stellt allerdings auch klar: Unter weiblichen Häftlingen würde auch viel Erfundenes verbreitet: "Frauen dort kann man sowieso nicht trauen. Die finden sich unwiderstehlich und reden nur von Sex hier und Sex da."

Dass es im Gefängnis eine Gerüchteküche gibt, die im Vollbrand steht, bestätigt auch jene Justizwachebeamtin, die den Fall ins Rollen gebracht hat, als Zeugin. Erst ein Dreivierteljahr, nachdem zum ersten Mal eine Insassin von "Problemen" berichtet habe, sei sie zu ihrer Vorgesetzten gegangen und habe das gemeldet.

Insassin wollte Schwangerschaftstest

Irgendwann habe das Opfer sie gefragt, ob sie einen Schwangerschaftstest haben könne. Da eine Empfängnis theoretisch nicht möglich war, da die Betroffene damals keinen Freigang hatte, erzählte diese dann von Verkehr mit dem Angeklagten – den Test bekam sie angeblich dennoch nicht.

Schließlich hatte die Beamtin so viele Geschichten gehört, dass sie es meldete. Die Folge war, dass sie ihrer Darstellung nach gemobbt wurde, bis sie in Krankenstand ging und versetzt wurde.

Eine weitere Insassin berichtet, sie habe das Opfer weinend vor dem Aufenthaltsraum der Beamten sitzen gesehen. Auf Nachfrage habe die Frau dann erzählt, dass sie eben gegen ihren Willen Sex mit dem Angeklagten gehabt habe und dieser sie schon früher einmal zu Oralverkehr gezwungen habe.

"Die hat das sicher nicht gespielt, sie hat nachher drei Stunden lang geduscht", erinnert sie sich. Ob sie mit dem Opfer heute noch Kontakt habe, will Verteidiger Michael Vallender wissen. Habe sie, gibt sie zu.

Entlastende Zeugin

Die nächste Zeugin entlastet dagegen den Angeklagten. Das Opfer habe sich in ihn verliebt gehabt und sich mit einer anderen Frau um ihn gestritten. Da sie nicht erhört wurden, sei das wohl nun die Rache. Und, betont sie, sie will gesehen und gehört haben, dass sich die Belastungszeuginnen auch vor dem Saal abgesprochen haben.

"Warum sollten sie das machen? Sie haben alle schon 2013 bei der Polizei ausgesagt", hält ihr Vorsitzende Steindl vor. Die Zeugin weiß keine Antwort darauf, legt aber Briefe vor, die ihr angeblich eine Belastungszeugin geschrieben habe und in denen diese sie aufforderte, gegen den Beamten Stellung zu beziehen.

Männliche Häftlinge, die mit dem Angeklagten gearbeitet haben, entlasten ihn ebenso: Er sei immer freundlich gewesen, Ungewöhnliches will vor dem Aufenthaltszimmer nie jemand beobachtet haben.

Jene Frau, die dem Angeklagten immer wieder aufs WC gefolgt sei, bestätigt das. Es sei aber immer von ihr ausgegangen, viermal habe man sich geküsst, er habe sie dann aber immer weggestoßen.

Opfer sagte schlüssig aus

Für Staatsanwältin Marlies Darmann ist im Schlussplädoyer dennoch "klar, dass der Angeklagte die Taten begangen hat". Das Opfer habe es mehrmals schlüssig und gleichlautend geschildert und habe keinen Grund, den Beamten zu belasten.

Dessen Verteidiger sieht umgekehrt keinen Grund, warum sein Mandant eine Vergewaltigung nötig habe, da er in einer glücklichen Beziehung lebe. Auch Vallender vermutet eine Intrige aus enttäuschter Liebe.

Der Senat glaubt das offensichtlich nicht und braucht lediglich 25 Minuten für die Beratung. Das Opfer sei glaubwürdig, die Beamtin sei ihrer Dienstpflicht mit der Anzeige nachgekommen. "Es ist ohnehin traurig, dass das so lange gedauert hat", merkt Steindl an. Aus Sicht des Gerichts habe es keine Aussagen gegeben, die den leugnenden Angeklagten entlastet hätten.

Die Strafe, die auch der Unbescholtene unter Tränen zur Kenntnis nimmt, sei bei einem Strafrahmen bis zu zehn Jahren im unteren Drittel. Aber es sei auch aus generalpräventiven Gründen notwendig, und: "Es ist ein massiver Schaden für die Justizwachebeamten!" (Michael Möseneder, 14.9.2015)