Wien – Einer blieb weiterhin im Hintergrund. Flüchtlingskoordinator Christian Konrad überließ das Reden bei der Klausur zum aktuellen Thema Nummer eins dem Kanzler und seinem Vize.

Werner Faymann (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) fanden viel Lob für Deutschland, schalten Nachbar Ungarn und schlugen gleich eine Reihe von Maßnahmen vor – bekannte und weniger bekannte.

Neu ist ein mit 75 Millionen Euro dotierter "Topf für Integration", aus dem sich jedes Ressort für die Umsetzung neuer Projekte bedienen kann – das sei frisches Geld, betonte die Regierungsspitze. Einen größeren Brocken dürfte etwa Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) benötigen, wenn sie die geplanten "Sprachstartkurse" in Schulen umsetzen will. In der Debatte um separate Klassen für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen hat man sich jetzt auf folgende Formel geeinigt: "... als Ergänzung zum Unterricht in der Stammklasse" sollen diese "rechtlich verbindlich in eigenen 'Sprachstartkursen für Neuzugänge ohne oder nur mit unzureichenden Deutschkenntnisse/n' gefördert werden". "Wir wollen keine Ausländerklassen", betonte Mitterlehner. Bis Ende 2015 rechnet man mit 5.800 schulpflichtigen Flüchtlingskindern, für 2016 geht man von 10.000 Kindern aus.

Die Entscheidung darüber, welche Projekte als förderungswürdig befunden werden, treffen Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) im Dreierteam. Dass die Mittel nur ein erstes Signal sein können, ist ihnen anscheinend bewusst. Mitterlehner: "Die 75 Millionen sind mit dem Titel vorläufig versehen." Hinzu kommen die mit 420 Millionen kalkulierten Ausgaben für Menschen in Grundversorgung. Als Basis dieser Rechnung geht man von 80.000 Antragstellern aus. Darüber hinaus soll der Stabilitätspakt vorübergehend ausgesetzt werden. Die Länder bekommen für diverse Maßnahmen einen Spielraum von 0,1 Prozent. Genauere Zahlen nennt man nicht, man wolle keine Neiddebatte schüren.

Rund 70 Millionen stehen für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Verfügung. Von jenen rund 10.500 offenen Lehrstellen, die bislang nicht besetzt werden konnten, sollen rund 5.000 jugendliche Flüchtlinge "profitieren". Was sonst mit dem Geld geschehen soll: Ein Anerkennungsgesetz für Ausbildungen und Qualifikationen ist in Arbeit, der "Kompetenzcheck" des AMS Wien wird ausgeweitet. Arbeitgeber, die es geflüchteten Menschen ermöglichen, nebenbei Kurse zu belegen, sollen Beihilfen erhalten.

Auch bei der akuten Bewältigung der Situation gibt es Neuerungen: Eine neue Aufgabe bekommt Generalstabschef Othmar Commenda. Das Bundesheer soll die Transportlogistik der ankommenden Flüchtlinge übernehmen, die er leiten wird. Das betrifft allein die Organisation, der Transport werde weiterhin von den ÖBB und privaten Unternehmen durchgeführt. "Hier ist nachzubessern", findet Faymann und formulierte als gemeinsames Ziel: "Wir wollen unser Bestes geben, damit niemand auf Autobahnen herumirren und im Freien schlafen muss."

Gleichzeitig schränkte er Letzteres auf jene Menschen ein, die bereits in Grundversorgung sind. Sie sollen "bis Mitte Oktober" nicht mehr in Zelten schlafen müssen. Flüchtlingskoordinator Konrad soll für ausreichend (als Zahl werden hier 15.000–20.000 genannt) Quartiere sorgen. Bei ankommenden Flüchtlingen könne es passieren, dass nicht sofort genügend Quartiere zur Verfügung stünden.

Einmal mehr wies der Bundeskanzler auf die Notwendigkeit einer europaweiten Quote zur Verteilung der Flüchtlinge hin. Dazu stehe er in intensiven Verhandlungen mit seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel. Am Dienstag will er mit Merkel und Ratspräsident Donald Tusk telefonieren und seine Forderung nach einem Sondergipfel ("je eher, desto besser") erneut deponieren. Außerdem soll es um eine effektive Grenzsicherung gehen. Mitterlehner, auch ein Befürworter einer europäischen Verteilung der Flüchtlinge gemäß Quote, findet gleichzeitig: "Es macht keinen Sinn, dass wir sagen, wir halten die mit Gewalt da, wenn sie nicht wollen." (Marie-Theres Egyed, Karin Riss, 11.9.2015)