Wie man Englisch mit Akzent spricht, lernt man in Ting-Ting Chengs Installation "The School of Accents" (2014).

Foto: Paraflows

Wien – Lernen kann Ihnen und ihrer Umgebung beträchtlichen Schaden zufügen. Zum Beispiel allzu perfektionistisches Sprachenlernen. Verleugnet nicht, wer an seinem Akzent in einer Fremdsprache leidet, auch einen Teil seiner Identität? Zu dieser Überlegung will die Arbeit The School of Accents (2014) von Ting-Ting Cheng anregen. Die in London lebende Chinesin inszeniert einen ironischen Sprachkurs, in dem man gefärbtes Englisch lernt. "I heleby declale" statt "I hereby declare" heißt es etwa in jenem Mantra, das "chichizens" (also "citizens") in ihrer Installation mitsprechen können.

Als Reflexion über Identität und Sprache ist Chengs launige Klassenzimmerinstallation derzeit im Rahmen des Paraflows-Festivals im Künstlerhaus zu sehen. Digital Migration lautet das Thema in der zehnten Auflage des gut konzentrierten "Festivals für digitale Kunst und Kulturen". Neben der Ausstellung steht auch ein Symposion, Konzerte und ein Theaterstück auf dem Programm. Den Begriff Migration versteht man dabei als "grundlegende Gangart", als etwas, was alles, "von der kleinsten Zelle bis zum Planeten" betrifft.

Tatsächlich beschäftigen sich viele der 14 durchwegs pointierten Positionen eher indirekt oder vom Rande her mit den brennenden Themen unserer Zeit, drehen sich etwa auch um die Datenübertragung zwischen den Medien. Bei allem Abstrahieren bleiben die Reflexionen aber an vielen Stellen auch auf die Migration im engeren Sinne anwendbar.

Unübersehbar und unmittelbar vertreten ist sie sowieso durch die Arbeit Boat People (2015) von Markus Thums. In den Medien habe man die Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer immer nur aus der Distanz gesehen, sagt der Künstler; um ihnen, wie man sagt, ein Gesicht zu geben – und zur Empathieförderung – hat er ihre Gesichter zu erschreckender Monumentalität aufgeblasen. Die Hochglanzästhetik irritiert ein wenig, dürfte allerdings helfen, wenn Thums Bilder zugunsten des Vereins Ute Bock versteigert werden.

Viele Perspektiven

Mit einer Migrationsbewegung vergangener Tage, nämlich jener der Gastarbeiter, befasst sich Can Sungus Replaying Home (2013). Um Stereotype sichtbar zu machen, montierte der Künstler Szenen aus türkischen Filmen der 1970er- und 1980er-Jahre, die in Deutschland gedreht wurden, neu: Bewegtbilder, die der türkischen Community etwas über die fremde, abgeschottete Kultur draußen vor dem Fenster erzählen sollten. Mila Panics We have a wonderful life (2014) versammelt demgegenüber VHS-Videobotschaften, die Migranten an ihre Familien zurückschickten.

Um Genderfragen dreht sich Jakob Lena Knebls Installation Madame Tina (2015), die aus Puppenbeinen, Spiegeln oder Bilderrahmen besteht und dem, der sie umrundet, günstigstenfalls die "Multiperspektivität von Identität" nahebringt. Die Arbeit korrespondiert auf interessante Art mit Malgorzata Goliszewskas Dress Me: Die Künstlerin bat ihre Mutter und Großmutter, Kleidung für sie auszuwählen. Die Prämisse lautete, zu allem "Ja" zu sagen. Dabei sei es so weit gegangen, dass Freunde Goliszewska nicht mehr auf der Straße erkannt haben. (Roman Gerold, 11.9.2015)