Ein Augenblick der Wahrheit dauert so lange wie eine in den Sand gemalte Linie: Christian Bale und Cate Blanchett in "Knight of Cups".

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Wien – "Das Höchste, was wir erlangen können, ist nicht Wissen, sondern eine Art Offenheit für Einsichten." Dem amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau, dem wir wiederum diese Einsicht verdanken, hätten die Filme von Terrence Malick vermutlich gefallen. In den Schriften Thoreaus geht es oft um die Einsamkeit, die den Menschen in der Neuzeit – und in der Neuen Welt – vor sich hertreibt, ihn auf die Suche nach etwas schickt, was nicht hinter der nächsten Weggabelung zu finden ist.

Malick ist wiederum für die Odysseen, die er seinen Figuren zumutet, berühmt. Dabei handelt es sich nicht um Reisen, die den Menschen alles abverlangen würden – nicht einmal dann, wenn sie sich wie das mörderische Pärchen in seinem Debütfilm Badlands auf der Flucht vor dem Galgen befinden oder wenn sie wie die US-Soldaten in Der schmale Grat durch den Kugelhagel stürmen. Malicks Reisen setzen den Menschen von innen heraus zu: Sie befinden sich im Ausnahmezustand, weil sie sich mit sich selbst konfrontieren müssen. Vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben.

Auch der Protagonist in Knight of Cups ist ein Reisender, unterwegs durch einen Moloch namens Los Angeles. Rick (Christian Bale) ist ein Autor, dessen Geschichten in Hollywood verfilmt werden; es sind Geschichten, die ihn selbst nicht glücklich machen. Er ist ein Mann, dessen Träume und Ambitionen der Vergangenheit angehören. Ein Hedonist, der sich auf Partys und mit Frauen vergnügt. Die Traumfabrik ist für ihn zum gefallenen Paradies geworden.

Auf der Tarotkarte "Ritter der Kelche", die Malick als Motiv verwendet, dessen Bedeutung sich im Laufe des Films bruchstückhaft offenbart, sitzt der Reiter auf einem weißen Pferd, einen goldenen Kelch in der Hand. Wie die Suchenden nach dem Gral war er lange Zeit einsam, um fündig zu werden. Rick hat sogar sein Ziel aus den Augen verloren.

Licht am Ende des Tunnels

Es sind insgesamt acht Kapitel, die Malick aufschlägt – benannt nach anderen Karten wie "Der Gehenkte" oder "Die Hohepriesterin" -, doch sie formen keine kohärente Erzählung, sondern bilden eher eine Art Palimpsest an Bildern und Eindrücken: Knight of Cups erinnert tatsächlich an eine fortwährende Neuschrift, die das Alte – eine gescheiterte Ehe (Cate Blanchett), eine verunmöglichte Liebe (Natalie Portman), eine von einem Todesfall überschattete Beziehung zum Vater (Brian Dennehy) – wegwäscht, um es mit etwas Neuem zu überschreiben. So wie die Linien, die eine Frau mit einer Feder in den Sand zeichnet, die im nächsten Augenblick von den Wellen weggeschwemmt werden.

Man mag Malicks Stil, an dem sich spätestens seit The Tree of Life die Geister und Kritikerstimmen vehement scheiden, als assoziativ bezeichnen, als Film gewordenen Bewusstseinsstrom oder Bilderrausch. Auch in Knight of Cups schraubt sich die Kamera, wie immer geführt von Emmanuel Lubezki, in die Höhe, umkreist entfesselt die Menschen, um schließlich doch an scheinbar unbedeutenden Details hängenzubleiben. Aber mit solchen Bezeichnungen wird man Malicks Filmen ohnehin nicht gerecht. Denn vielmehr geht es, in ihrer einzigartigen Radikalität, um eine ganzheitliche Wahrnehmung, die alle Sinne erfasst. Sie erzählen vom Versuch, eine möglicherweise letzte Verbindung zur Welt herzustellen.

Was hält diese Welt für den Menschen zusammen? Die Natur, von der er sich entfremdet hat? Die Familie, die keinen Halt mehr bieten kann, weil sie dem Druck nicht standhält? Die wiederkehrende Fahrt durch einen gleißend hellen Tunnel ("From darkness to light") gleicht einem Blindflug Ricks, der jede Sicherheit weit hinter sich gelassen hat.

Wie seine Vorgänger in Malicks Filmen spricht auch er mit innerer Stimme zu uns, doch diese geht weit über ein "Selbstgespräch" hinaus. Es ist nicht nötig, Martin Heidegger, dessen Vom Wesen des Grundes Malick übersetzt hat, gelesen zu haben – es schadet aber auch nicht -, doch was den Philosophen und den Filmemacher in Knight of Cups einmal mehr verbindet, ist das Misstrauen gegenüber der Sprache: Es gibt keine andere als die vorgegebene.

"Soviel ich weiß, ist dieses höhere Wissen etwas Unbestimmtes: ein völlig neues, großes Staunen", schreibt Thoreau. Knight of Cups ist dieses Staunen. (Michael Pekler, 10.9.2015)