Direktor Matthias Beitl im Garten des sanierungsbedürftigen Museums für Volkskunde. Ein Aus- und Umbau des Gebäudes wäre auch im Sinne der Universität, meint er.

Foto: Andy Urban

Kultur und Wissenschaft sollen im Volkskundemuseum nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich zusammenrücken. Die Entscheidung liegt bei der Politik.

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Wien – In der Laudongasse im achten Wiener Gemeindebezirk steht das wohl "punkigste Museum der Stadt". "So hat es zumindest Wien-Museum-Direktor Matti Bunzl bei seinem Besuch bezeichnet", sagt Matthias Beitl. Seit 2013 leitet der Ethnologe das Österreichische Volkskundemuseum, das nicht nur die österreichische und europäische Gesellschaft in all ihren kulturhistorischen Schattierungen bespiegelt, sondern auch selbst auf eine wechselvolle Geschichte zurückblickt. Zum "Punkigen" sieht sich das Museum gewissermaßen gezwungen, muss es doch mit recht bescheidenen Mitteln auskommen.

1895 als Vereinsmuseum gegründet und zunächst in den Räumen der Wiener Börse eingerichtet, übersiedelte das Volkskundemuseum 1917 in das barocke Gartenplais Schönborn. "Es gab immer wieder Bestrebungen, sich in irgendeiner Form zu verstaatlichen", sagt Beitl. Heute befindet man sich in einem Mischsystem.

Eigentümerin des seit Jahren sanierungsbedürftigen Gebäudes ist die Stadt Wien, zur Erhaltung hat man in den 1950er-Jahren – wie auch bei anderen Museen der Stadt – die Trägervereine verpflichtet. "Nur zeigt sich heute leider öfter, dass diese das nicht stemmen können." Rund 890.000 Euro pro Jahr erhält der Verein vom Bund für die Personalkosten, von ursprünglich 30 öffentlich Bediensteten könne man heute nur noch 17 beschäftigen, sagt Beitl, der Rest arbeite ehrenamtlich oder werde mit eigenen Mitteln finanziert.

Saniert wurde das Palais zuletzt Ende der 1980er-Jahre, die Dauerausstellung wurde 1994 neu aufgestellt. "Seit 2007 gibt es Überlegungen für einen Umbau", diesbezügliche Gespräche mit der Stadt seien jedoch immer wieder "eingeschlafen", meint der Direktor. Die Idee einer Fusion mit dem ehemaligen Museum für Völkerkunde, heute Welt-Museum, habe man "mit vollem Elan" verfolgt, sich aber letztlich dagegen entschieden, um keine Unterabteilung des Kunsthistorischen Museums sein zu müssen.

Durchhaus aus Überzeugung

Von einem operativen Budget in der Höhe von 530.000 Euro bleibe dem Museum abzüglich aller Renovierungskosten und Mieten ein Ausstellungsbudget von 100.000 Euro. Eine Bank als Sponsor ermöglicht derzeit freien Eintritt. "Wir haben gelernt, mit wenig auszukommen und halten viel auf den Plattformgedanken, wo andere andocken können." Trotzdem: "Wenn nichts passiert, müssen wir in spätestens fünf Jahren zumachen. Dann können wir wegen des maroden Baus nicht mehr für die Sicherheit garantieren."

Zum Standort steht Matthias Beitl weiterhin: "Wir experimentieren sehr viel. Das kommt gut an." So hat man etwa den Durchgang zum Park aufgemacht und ein Café eingerichtet. "Es gibt ein Filmfestival im Garten und Ausstellungseröffnungen, bei denen plötzlich Jogger durchs Haus laufen." Eine Anekdote erzählt Beitl augenzwinkernd: Die Leute haben bemerkt, "dass unser Klo besser ist als das öffentliche im Park. Man hat uns dann darauf hingewiesen, dass es dafür eine Förderung der Stadt gebe. Jetzt sind wir vermutlich das einzige Museum Wiens mit Toilettenförderung."

Die Politik sei an Lösungen für das Museum durchaus interessiert. "Wohnbaustadtrat Michael Ludwig ist persönlich vorbeigekommen und hat angeregt, sich eine 'hybride Nutzung' zu überlegen. Was könnte das Haus außer Museum noch sein? Und so entstand unsere Idee für einen Campus der Alltagskultur in Form einer Fusionierung mit dem Institut für Europäische Ethnologie."

Dieses ist derzeit in der Hanuschgasse 3 untergebracht, im Falle einer Fusionierung wäre man näher am Uni-Hauptgebäude. "Vonseiten der Universität gibt es im Zuge baulicher Modernisierungen ohnehin den Wunsch, mehr mit anderen zusammenzuarbeiten", sagt Institutsvorsteherin Brigitta Schmidt-Laubner. Außerdem sei die Ethnologie ursprünglich aus den Sammlungen heraus entstanden, es sei heute sinnvoll, Forschung und Museum zusammenzuführen.

Inhaltlich will das Museum den eingeschlagenen Weg weitergehen, setzt auf Diskurs und Gesellschaftspolitik. Will man auch europäische Identität stiften? "Nein", sagt Beitl, "das sollen die in Brüssel machen. Uns obliegt die Reflexion der Gesellschaft."

Die Kosten für eine große Lösung mit Dachausbau schätzt Matthias Beitl auf zwölf bis 15 Millionen, und er denkt pragmatisch: "Wenn es wegen des Hauses der Geschichte eine Bundesmuseen-Gesetzesnovelle gibt, dann könnte man auch gleich eine Perspektive für das Volkskundemuseum hineinpacken." (Stefan Weiss, 10.9.2015)