"Angst ist eine Degeneration der Aufmerksamkeit" lautet ein Zitat von Paul Valéry, das wie ein hellsichtiger Kommentar zur derzeitigen Flüchtlingsdebatte in Österreich wirkt. Mit Degenerationserscheinungen lassen sich immer Geschäfte machen (Esoterik-Boom, die Fifa, "Germany's Next Topmodel" etc.), so auch in der Politik. Wer einmal Angsterzeugung als programmatisches Alleinstellungsmerkmal für sich entdeckt hat, kann sich entspannt zurücklehnen und braucht sich nicht um lästige Pflichtübungen wie konkrete Ideen oder realisierbare Vorschläge kümmern, um beim Wähler Erfolg zu haben. So gesehen muss man jenen fast schon dankbar sein, die uns an die inhaltliche Grundierung der Angst-Profiteure erinnern. Konkret dem Freiheitlichen Akademikerverband Salzburg, der "Arbeitslager für Flüchtlinge" fordert, oder auch dem Kickback-Ideenschmied Herbert Kickl, der die Europäische Menschenrechtskonvention beseitigen möchte. Ebenso zu diesem Bild passt die Tatsache, dass sich die FPÖ als einzige Partei gegen die Ernennung Christian Konrads zum Asylkoordinator ausgesprochen hat: Welcher Pyromane freut sich schon über einen Feuerwehrmann?

Genauso interessant aber auch die geradezu messianische Erwartungseuphorie mit der anderorts auf das Engagement des ehemaligen Raiffeisen-Generals reagiert wurde. Der Grund dafür dürfte zum einen in den bemerkenswerten Erfolgen von Konrads früheren Interventionen zu diesem Themenkomplex liegen. Sowohl Ernst Strasser als auch Johanna Mikl-Leitner durften einst die Erfahrung machen, dass er in humanitären Fragen nicht nur mehr Kompetenz, sondern auch mehr Durchsetzungsvermögen besitzt als ein amtierender Innenminister.

Zum anderen scheinen die Heilserwartungen auf sein zukünftiges Wirken auf einer diffusen und teilweise legendenverklärten Ahnung von Konrads hemdsärmelig unbeirrbarer Autorität zu fußen. Diese evoziert wunschtraumhafte Visionen von Landeshauptleuten, die – nachdem sie eben noch die mangelnde Solidarität der EU gegeißelt und im nächsten Satz die Forderung nach Bundesländersolidarität als "Asyl-Diktat des Bundes" bezeichnet haben – beim bloßen Anblick des neuen Koordinators blass werden und den soeben gesagten Unsinn verlegen herumstotternd widerrufen. Bei einem Mann, an dem selbst ein Monumental-Ego-Kampfbomber wie Erwin Pröll zerschellt ist, sollte einem frisch aufgeblasenen Heißluftballon wie dem Uhudler-Orbán Hans Niessl eigentlich binnen Sekunden die Luft ausgehen.

Sollten sich diese Hoffnungen tatsächlich erfüllen, wird sich Konrad vermutlich bald mit ressortübergreifenden Erlösungswünschen konfrontiert sehen. Seine Begabung, speziell mit Lokalkaisern und Provinzgockeln Klartext zu sprechen, könnte zum Beispiel beim Problem der immer noch die Verfassung ignorierenden Buchhaltungspraxis der Bundesländer wahre Wunder bewirken. Und selbst den Dauerskandal, dass sämtliche Landeshaftungen von den Bundesländern noch immer geheim gehalten werden, könnte er beenden. Denn welcher Landesfinanzreferent würde Widerstand wagen, wenn der vom Asyl-Sheriff zum Exföderalisator mutierte Konrad ihm freundlich aber bestimmt zuraunt: "Hasta la vista, Intransparenz!" (Florian Scheuba, 9.9.2015)