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Die Zeit der Zelte ist nicht vorbei: Im Lager Traiskirchen leben 1.500 Menschen unter Planen, rund 150 sind laut Ministerium obdachlos.

foto: apa/techt

Wien/Traiskirchen – Die zunehmende Zahl von Asylwerbern in Österreich hat auch budgetpolitische Auswirkungen: "An den finanziellen Mitteln darf ein Menschenrecht nicht scheitern", betonte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Dienstag am Rande des Ministerrats. Davor hatte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) die Bereitschaft Österreichs bekundet, sich an der Errichtung von Schutzzonen für Flüchtlinge im Nahen Osten zu beteiligen.

Im Vorfeld des Ministerrats war in mehreren Bundesländern die Forderung laut geworden, durch Flüchtlinge bedingte Mehrkosten aus den Budgetzielen herauszurechnen. Ob das möglich ist, soll am Freitag bei einer Regierungsklausur mit Flüchtlingskoordinator, Ex-Raiffeisen-General Christian Konrad, erläutert werden.

Konrad offiziell ernannt

Konrad wurde am Dienstag vom Ministerrat offiziell zum Flüchtlingskoordinator bestellt. Er ist ehrenamtlich tätig, bekommt für seine Arbeit aber ein Budget von einer Million Euro.

Eine seiner Hauptaufgaben werde es sein, in den kommenden Wochen winterfeste Asylwerberquartiere zu schaffen, sagte Faymann. Die Länder, so der Kanzler, müssten ihre Unterbringungsquoten-Vorgaben zu 100 Prozent erfüllen: "Jedes Prozent darunter sind Menschen, die in Zelten schlafen müssen."

2.550 Flüchtlinge in Zelten

Derzeit sind österreichweit 2.550 Flüchtlinge in dieser Situation, 150 in Eisenstadt, 200 im Kärntner Krumpendorf, 240 im Kärntner Althofen, insgesamt 460 in der Stadt Salzburg – sowie 1.500 im Flüchtlingslager Traiskirchen, dem EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos nach einem Besuch am Montag ein überraschend positives Zeugnis ausstellte.

Die Flüchtlinge würden in Traiskirchen "auf eine sehr humane Art und Weise behandelt", meinte Avramopoulos. Berichte von lagerkundigen Flüchtlingshelfern widersprechen dieser Aussage zum Teil entschieden.

Schlafen auf blankem Boden

Zwar sei das Lager real als solches inzwischen "piekfein aufgeräumt", doch in den Achtpersonenzelten auf dem angrenzenden Gelände der Sicherheitsakademie sei nicht genug Platz für alle, schildert etwa Christoph Riedl vom Flüchtlingsdienst der Diakonie: "Dort sind Menschen gezwungen, bei den derzeitigen niedrigen Temperaturen auf dem blanken Boden zu schlafen."

Trotz Verbesserungen, etwa in Gestalt eines vom Roten Kreuz betriebenen Feldspitals, herrsche im Lager vielfach weiter "Chaos", berichtet Riedl. So nehme die Zahl durch Abmeldung obdachlos gemachter Flüchtlinge zu: "Ist ein Asylwerber bei einer der täglichen Standeskontrollen abwesend oder wird er übersehen, wird er nicht mehr versorgt. Zwar könnte er sich wieder anmelden: im Verteilerquartier, das ebenfalls im Lager Traiskirchen angesiedelt ist. Doch das funktioniert nicht."

Im Innenministerium meint ein Sprecher auf Anfrage des STANDARD, die rigide Abmeldepolitik sei nötig, "weil viele Asylwerber weiterreisen". Auf nacktem Boden wiederum würden die "rund 150" obdachlosen Flüchtlinge schlafen, die kleine Privatzelte aufgestellt hätten.

Patzelt: "Menschenrechtswidrig"

Angesichts dessen sei die Lage in Traiskirchen weiterhin als "menschenrechtswidrig" zu bezeichnen, meint dazu Heinz Patzelt von Amnesty in Österreich; Mitte August hatte ein Amnesty-Bericht die Zustände im Lager scharf kritisiert. Zu EU-Kommissar Avramopoulos' Lob meint er: "Das war ein diplomatischer Besuch." (bri, go, 8.9.2015)