Eine Altersmedizinerin "schlüpft" in den Körper ihrer geriatrischen Patienten.

Foto: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie

Frankfurt am Main – 21 Mediziner machten im Rahmen des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in Frankfurt am Main eine neue Erfahrung: Sie schlüpften in einen Simulationsanzug und erlebten so den beschwerlichen Alltag alter Menschen. Der Grund: Mediziner sensibler dafür zu machen, wie körperlich eingeschränkt geriatrische Patienten tatsächlich sind.

"Ich hätte nicht gedacht, dass es so beschwerlich ist", sagt eine Altersmedizinerin aus der Nähe von Hannover, nachdem man ihr aus dem Simulationsanzug geholfen hatte. Sie war erleichtert, Gewichte, Bandagen, Brille und Ohrstöpsel wieder ablegen zu können. "Ich hätte auch nie gedacht, dass jeder Schritt, jede Armbewegung so viel Kraft kosten kann. Dies erlebt zu haben, lässt mich meine Patienten aus ganz anderen Augen sehen", ergänzt die Ärztin.

Altersanzüge simulieren Gebrechlichkeit

Die Altersmedizinerin möchte nun die Anzüge auch an ihrer Klinik einsetzen, um hier das Verständnis ihrer Kollegen in Bezug auf Alter und Gebrechlichkeit zu schärfen. "Man muss es einfach selbst spüren. Die Altersanzüge machen in ihren verschiedenen Ausführungen die körperlichen Defizite des Alters am eigenen Leib erlebbar", erklärt Workshop-Leiterin Gabriele Röhrig-Herzog, Oberärztin aus Köln. "Das ist Sinn und Zweck. Denn keiner kann sich tatsächlich vorstellen, was es bedeutet richtig alt zu sein."

Durch das Tragen der Altersanzüge wurden Körpermotorik, Seh- und Hörmöglichkeiten stark eingeschränkt. An mehreren Übungsstationen mussten die Teilnehmer scheinbar einfache Alltagstätigkeiten verrichten: Treppensteigen, Wasserflaschen öffnen, Kaffee trinken, Schuhe zuschnüren oder einfache Gespräche führen. Die Situationen waren für die teilnehmenden Ärzte so ungewöhnlich, dass kaum eine Übung ohne Probleme gelang.

Große Herausforderungen: Treppensteigen oder Trinken

Die Workshop-Teilnehmer ließen sich während ihrer Übungen filmen. Auch hier schauten sie anschließend ungläubig auf ihre unbeholfenen Bewegungen. So setzte sich ein Geriater zum Ziel, in den ersten Stock des Krankenhauses zu gelangen. – Er schaffte es nur mit Unterstützung.

Eine andere Ärztin versuchte mit tatteriger Hand – durch Stromimpulse wurde ein Tremor simuliert – ein Glas Wasser zu trinken. "Ich hatte kaum Kontrolle darüber", kommentierte sie anschließend das, was sie auf dem Bildschirm sah. "Ein ganz eigenartiges Gefühl. Und verschüttet habe ich auch so einiges auf den Tisch und meine Hose."

"Simulationsanzüge sind eine wunderbare Möglichkeit das eigene Verständnis für körperliche Grenzen im Alter zu schärfen. Bücher lesen und Erzählungen Glauben schenken ist das Eine – es selbst zu erleben ist etwas ganz Anderes. Das bleibt im Gedächtnis haften," betont Gabriele Röhrig-Herzog. (red, 8.9.2015)