Kopenhagen/Stockholm – Die dänische Polizei hat am Montag dutzende Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder, am Grenzübertritt nach Schweden gehindert. Der Polizei zufolge machten sich etwa 150 Flüchtlinge in der Früh in Richtung der für Fußgänger verbotenen Öresundbrücke nach Schweden auf. Sie marschierten, von Polizisten eskortiert, auf einer Autobahn.

Nach stundenlangen Verhandlungen willigten die meisten erschöpften Flüchtlinge aber ein, sich mit Bussen zu einem dänischen Polizeirevier bringen zu lassen. Die Flüchtlinge gehörten zu etwa 300 Flüchtlingen, die am Sonntag aus Deutschland kommend im dänischen Fährhafen Rödby eingetroffen waren und hofften, mit dem Zug von Kopenhagen über die Brücke ins schwedische Malmö zu gelangen. Am Sonntag hatten bereits rund 70 ihr Wunschzielland Schweden erreicht.

Übernachtung in Sporthalle

Der dänische Teletext beschrieb die Situation in Rödby am Montagabend als "chaotisch". Die immer noch aus Deutschland ankommenden Flüchtlinge würden nun zur provisorischen Unterbringung in Bussen in eine Sporthalle gebracht, meldete der Dänische Rundfunk DR. Die Ankommenden würden dort registriert und zur Übernachtung eingewiesen. Offenbar zogen es jedoch zahlreiche Flüchtlinge vor, nicht in die Halle zu gehen, sondern stattdessen im Freien zu übernachten.

Es kam zu Rangeleien, als Polizisten den Flüchtlingen Fingerabdrücke abnehmen wollten. Viele Menschen ergriffen die Flucht. Sie fürchteten, in Dänemark mit seinen strengen Asylgesetzen registriert zu werden und dann nicht mehr in das liberalere Schweden kommen zu können, wo bereits Angehörige von ihnen leben.

Der dänische Regierungschef Lars Lökke Rasmussen erklärte auf einer Pressekonferenz, in den vergangenen 24 Stunden seien etwa 400 Flüchtlinge in Dänemark eingetroffen. Keinem von ihnen werde die Weiterreise nach Schweden gestattet. Dänemark könne nicht einfach seine "Verpflichtungen ignorieren" und die Flüchtlinge ohne Schwedens Zustimmung dorthin schicken. Denn dann würde Dänemark so wie viele andere Länder handeln, die dafür verantwortlich seien, dass das "europäische Asylsystem" unter massiven Druck gerate.

Rasmussen fügte hinzu, er habe der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zugesagt, dass Dänemark 100 Flüchtlinge aus Deutschland aufnehmen werde. Dies sei der "sehr speziellen Situation" geschuldet, in der sich Deutschland und Europa derzeit befänden.

Abschreckende Anzeigen

Gleichzeitig schaltete die Regierung aber auch abschreckende Anzeigen in einigen libanesischen Tageszeitungen (drei arabischsprachigen Blätter und einer englischsprachigen Publikation). "Dänemark hat sich entschieden, die Bestimmungen für Flüchtlinge zu verschärfen", heißt es in dem Text des zuständigen Ministeriums für Einwanderung in den Montagsausgaben der Blätter. Die Gelder seien für neu ankommende Flüchtlinge um "bis zu 50 Prozent" gekürzt worden. Inhaber einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung hätten im ersten Jahr kein Anrecht auf Familienzusammenführung.

Rasmussen gehört der rechtskonservativen Venstre-Partei an, deren Ministerin für Ausländer, Integration und Wohnen, Inger Stöjberg, federführend bei der nochmaligen Verschärfung des Asylrechts war, das am 1. September in Kraft trat. Rasmussens Minderheitsregierung ist auf Unterstützung unter anderem durch die rechtspopulistische Dänische Volkspartei angewiesen. Merkel empfängt am Dienstag den schwedischen Regierungschef Stefan Löfven, um über das Thema Flüchtlinge zu reden. Am Abend ist dann Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zu Gast bei seinem Amtskollegen Löfven. Bestimmend dürfte auch hier das Flüchtlingsthema sein. (APA, 8.9.2015)