Foto: Metal Gear Solid 5

Mit der Vorstellung des Charakters Quiet musste sich "Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain"-Schöpfer Hideo Kojima bereits vor dem Marktstart des Spiels einiges an Kritik anhören. Als weibliche Hauptrolle im Agentenepos wird die Scharfschützin in Bikini und Strümpfen gekleidet inszeniert, während ihre männlichen Pendants über gut verdeckende Schutzkleidung verfügen.

Kojima warnte damals davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Tatsächlich würden sich Kritiker rückblickend noch für ihre Worte schämen, sobald sie herausfinden, weshalb Quiet halbnackt herumläuft. "Ich habe ihren Charakter als Antithese zu den weiblichen Charakteren in vorangegangenen Kampfspielen erschaffen, die weitgehend entblößt dargestellt werden. Sobald man den geheimen Grund für (Quiets) Entblößung herausgefunden hat, wird man sich für seine Worte schämen. Die im Netz angestachelte Reaktion auf Quiets Enthüllung drückt exakt das aus, worum es in 'MGS5' geht", sagte der Hersteller damals.

Wieso? (ACHTUNG, SPOILER!)

Eurogamer-Autorin Aoife Wilson hat nun versucht, diese Behauptung zu prüfen. In einem humorvollen Text geht die "Metal Gear"-Liebhaberin der Frage nach, ob hinter Quiets Erscheinung wirklich mehr steckt, als der Wunsch, Brüste im Spiel zu zeigen.

Tatsächlich haben die Entwickler reichlich Kreativität an den Tag gelegt, um ihre knappe Bekleidung zu rechtfertigen: Die Soldatin wurde von einem Parasit befallen, der ihr übermenschliche Fähigkeiten verleiht. Im Gegenzug bedeutet dies allerdings, dass sie wie eine Pflanze nun nur noch durch die Haut atmen kann. Damit habe Kojima zwar eine Rechtfertigung für Quiets Darstellung gefunden, ihre Inszenierung lasse letztendlich dennoch wenig Zweifel daran, dass nicht ihre Geschichte, ihre für Gegner potenziell gefährliche Sexyness, sondern ihre äußerlichen Merkmale ins Rampenlicht rücken.

Charakter als Fußnote (KEIN SPOILER)

"Als jemand, der sowohl Brüste besitzt als auch sich angezogen von Menschen mit Brüsten fühlt, bin ich der Meinung, dass Brüste großartig sind. Aber sie sind halt nur Brüste und zu einem großen Teil des Spiels ist Quiet kein sexy weiblicher Charakter sondern lediglich ein Fortsatz ihrer Brüste", meint Wilson. "Ihr Charakter ist eine Fußnote zweier schwingender, wobbelnder Brüste, die die Kamera bei jeder Gelegenheit einfängt. Sie werden oft ins Zentrum einer Szene gestellt, in der Quiet spielt, oder nur ins Bild gehalten, wenn Snake seine nächste Mission abruft oder jemand über zweibeinige Roboter als Zukunft moderner Kriegsführung spricht."

Wilson wirft dieser Darstellung eine grundlegende Scheinheiligkeit vor. Denn während Quiets Nacktheit bei jeder Möglichkeit gezeigt wird, um voyeuristische Bedürfnisse der Spieler zu befriedigen, wird Sexualität in der Handlung des Spiels ausgeblendet. "Es wäre mir lieber, wenn Quiet und Boss jede Plattform auf der Mother Base entweihen würden. Es würde sich ehrlicher anfühlen. Wenn du Sex willst, dann mach Sex in dein Spiel. Einen nackten Charakter zu haben und dann niemanden darauf eingehen zu lassen, ist wie einen Kuchen vor sich zu haben, den man nur anstarren darf", so Wilson.

"Es wäre nicht so offensichtlich, wäre Quiet nicht der einzige weibliche Charakter für einen Großteil des Spiels. An einem Punkt taucht ein Elite-Scharfschützinnenteam auf, knallhart, kahl geschoren und mit grauer Haut. Und, wie ein kleiner Hund beim Familienessen dein Bein bespringt, zoomt die Kamera hungrig auf die Brüste der Frauen, nur um sich dann zu drehen und bei ihren Hintern stehen zu bleiben. Da kann man nur noch lachen."

Absicht verfehlt

Hätte Kojima mit Quiet wirklich ein Zeichen setzen wollen, hätte er der Rolle einen freien Willen verleihen können, das zu tun, was immer sie möchte. Aber das sei bei Quiet und ihrer dargestellten Sexualität nicht der Fall. "Sie selbst sagt, dass sie niemals so sein wollte. Ihr wurde diese Bloßstellung aufgezwungen, und hätte sie eine Wahl, würde sie sich praktischere Kleidung aneignen. Sie muss nackt sein, um zu leben; sie muss nackt sein, um sich einen Platz in Kojimas, unserer Welt, zu verdienen", schreibt Wilson. Damit habe der Entwickler letztendlich sein vermeintliches Ziel verfehlt.

"Sollen wir uns also dafür schämen, wie wir damals auf Quiets Enthüllung reagiert haben – und die Quiet-Sammelfigur mit zusammendrückbaren Brüsten? Nun, nein, und ich habe (in ‚MGS5‘) nichts gesehen, was uns eines Besseren belehren würde. Ich sehe nicht, wie Quiets Nacktheit irgendeinen anderen Zweck erfüllen sollte, als eine Masturbationsvorlage zu liefern, und ich sehe auch nicht, wie sie eine ‚Antithese‘ zu anderen Frauen in Spielen sein soll, die ebenso exzessiv entblößt wurden", schließt die Autorin. "Und das ist okay; wenn es dich nach großen wackelnden digitalen Brüsten dürstet, nur zu. Aber tun wir nicht so, als stünde mehr dahinter." (zw, 7.9.2015)