Samstag, 13 Uhr, Wiener Hauptbahnhof. Auch hier ist inzwischen ein Zug aus Ungarn angekommen, der nächste wird demnächst erwartet. Die Flüchtlinge, die meisten sollen aus Syrien kommen und wollen nach Deutschland weiterreisen, warten in einer Halle, gleich unterhalb der Bahnsteige.

Foto: Renate Graber

Männer, Frauen, viele kleine Kinder sind da, liegen auf Feldbetten, sitzen auf Bänken, sitzen auf dem Boden und warten. Freiwillige Helfer haben meterlange Tische aufgestellt, auf denen es Lebensmittel, Getränke, Süßigkeiten, Obst gibt – in Hülle und Fülle. Die Hilfsbereitschaft der Wiener scheint enorm zu sein: Berge von Kleidung, hier für Kinder, da für Frauen und Männer, sind auf dem Boden ausgebreitet, die Flüchtlinge können sich aussuchen, was sie brauchen.

"Keine Sachspenden mehr"

An einer schmalen Seite der Halle sind Kinderschuhe aufgestellt, penibel nach Größen sortiert, die kleinen neben den ganz kleinen, warme Schuhe neben Gummistiefeln, alles ist da. Draußen, in einem Lagerraum, wartet noch mehr Kleidung, jede Menge Rucksäcke und Schlafsäcke werden abgeliefert – zu viel für den vorhandenen Platz: "Keine Sachspenden mehr", steht auf einem handgeschriebenen Zettel zu lesen – die Halle ist voll. Und dennoch: Immer noch kommen Leute, immer noch kommen Spenden.

Unten, in der Halle geht es derweilen etwas ungeordnet zu, Helfer von offiziellen Organisationen sind gerade nicht zu sehen. Ein paar Ärzte bemühen sich um die müden Menschen, Dolmetscher bieten ihre Dienste an: Sie haben sich Zettel umgehängt, auf denen geschrieben steht, welche Sprachen sie übersetzen können.

Auf einmal bildet sich am Treppenabsatz zu den Bahnsteigen eine Menschentraube: Eine Mitarbeiterin der ÖBB erklärt den Leuten auf Englisch aber nur, dass sie weiterwarten müssen – doch sie ist kaum zu verstehen. Irgendwer bringt ein Megafon, nun ist sie besser zu hören – nachdem der Übersetzer die Nachricht weitergegeben hat, zerstreut sich die Menge. Der letzte Satz der Frau wird wohl noch oft zu hören sein: "Wir erwarten den nächsten Zug. Es werden wieder viele Menschen kommen."

So wie jene junge, blasse Frau, die vorsichtig ein schneeweißes Steckkissen trägt, in dem ihr Baby schläft. Schwarze Haare, winzigklein. Es ist höchstens drei Tage alt. (Renate Graber, 5.9.2015)