Wenn die Wellen in der Ostägäis nur einen Meter hoch sind, dann werden auch die fünf Kilometer Meer zwischen Bodrum (Türkei) und Kos (Griechenland) zum Ort des Todes. Das Foto des dreijährigen Aylan, der am Strand mit dem Gesicht im Wasser liegt, geht um die Welt.

Die Tragödienerzählung seines überlebenden Vaters schnürt einem die Kehle zu: Das elende, überfüllte Schlauchboot kenterte, zuerst konnte der Vater den einen, dann den anderen kleinen Sohn nicht mehr halten. Dann merkte er, dass auch seine Frau tot war. Sie waren übrigens aus Kobane geflohen, vor den Mordbrennern des IS.

Eine Geschichte von vielen, die sich auf den Meerengen zwischen dem türkischen Festland und den griechischen Inseln abspielen. Wer es dorthin schafft, flieht weiter und weiter, durch Mazedonien, Ungarn, Österreich nach Norden. Am Freitag setzten sich Tausende in Ungarn zu Fuß nach Wien in Marsch. Sie flohen vor der chaotischen Brutalität der ungarischen Regierung.

Eine "Völkerwanderung"? Der Begriff trifft die Sache nicht. Das wären andere Dimensionen. Gewiss, es sind Tausende, Zehntausende, die kommen. Sie werden manches Problem verursachen.

Aber keines, das man mit hysterischen Abwehrreaktionen, mit Zäunen und Polizeigefuchtel, bewältigen kann. Die erste Maßnahme ist, den Schutzflehenden erste Hilfe zu leisten. Überlegtes Management muss folgen. Es ist zu schaffen. (Hans Rauscher, 4.9.2015)