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Die jüngsten Wechsler in den ÖVP-Klub von Reinhold Lopatka: Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger

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Wien – SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder tritt für eine "Cooling-off-Phase" vor einem Klubwechsel von Abgeordneten ein. Im APA-Interview nennt er eine Zeitspanne von drei bis sechs Monaten, bis man einer anderen Fraktion beitreten können soll. Schieder selbst will auch nach der Wien-Wahl Klubchef bleiben. Die Frage eines Wechsels in die Stadtpolitik – allenfalls sogar als Bürgermeister – stelle sich nicht.

Denn für Schieder hat Wien mit Michael Häupl den "vermutlich besten und jedenfalls erfahrensten Bürgermeister weltweit". Dass die SPÖ hinter die Freiheitlichen zurückfallen könnte, glaubt der Klubchef, der nebenbei SP-Bezirksparteiobmann in Penzing ist, nicht. Schieder geht davon aus, dass die Bürger in der Stadt zunehmend spüren, "was sie an diesem Wiener Lebensstil haben". Daher würden sie wohl jene Partei wählen, die Probleme zu lösen versuche , und nicht jene, die keine Lösungen anbiete und nur Probleme groß rede.

Kein Herren-Match

Schieder empfiehlt für den Wahlkampf jedenfalls eine direkte Auseinandersetzung mit den Freiheitlichen. Dabei gehe es nicht um ein "Herren-Match zwischen Häupl und (Heinz-Christian) Strache", wie dies der FPÖ-Obmann gerne hätte, sondern um eine "beinharte Auseinandersetzung über Inhalte, wie man sich ein Zusammenleben vorstellt".

Mit wem die SPÖ koalieren soll, ließ Schieder offen: "Jede Koalition hat den Nachteil, dass sie eine Koalition ist." Alle möglichen Partner hätten ihre Vor- und Nachteile. An den Grünen gefällt dem Klubchef etwa nicht, was diese für "verrückte Ampel-Schaltungen" zu verantworten hätten, und bei der ÖVP müsse man schauen, was von der nach der Wahl überhaupt noch über sei.

Bedenkliche Entwicklung

Was seinen parlamentarischen Alltag angeht, ist Schieder mit der Volkspartei auch nicht immer glücklich, etwa was das Abgeordneten-Fischen von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka angeht. Es sei eine "bedenkliche Entwicklung in der Demokratie", wenn es zugehe wie am Transfermarkt zwischen Fußball-Klubs. Es schade der Glaubwürdigkeit der Politik, wenn es einzelnen unter der Devise "Wer will mich?" nur um das Sichern des eigenen Leiberls gehe und andere diese aufnähmen: "Wir brauchen keine Edith Klingers der Politik, die herrenlose Abgeordnete aus dem Team Stronach absaugen."

Selbst will sich Schieder nicht umschauen, ob es in anderen Fraktionen für die Sozialdemokratie geeignete Abgeordnete gäbe: "Als einer der wenigen Klubobleute habe ich das Privileg, dass die interessanten Personen schon alle in meinem Klub sind. Daher habe ich auch nicht das Problem wie andere Klubs, mir andere Leute anlachen zu müssen, um Fachkompetenz von außen zu holen." Dass der vormals Grüne Senol Akkilic in Wien zur SPÖ gewechselt ist, hält Schieder übrigens nicht für vergleichbar mit der Wanderung der Stronach-Abgeordneten zur ÖVP. Denn Akkilic habe sich aus inhaltlichen Gründen der Sozialdemokratie angeschlossen.

Neuer Vorschlag

Um Polit-Transfers zurückzudrängen, plädiert Schieder dafür, dass Abgeordnete nicht mehr direkt in andere Klubs wechseln dürfen. Drei bis sechs Monate soll man sich nach dem Austritt aus einem Klub neu orientieren und dann schauen, ob man tatsächlich woanders dazu passt. Der entsprechende Vorschlag wird vom roten Klubchef im Geschäftsordnungskomitee eingebracht.

Ohne Bange blickt Schieder seiner zu erwartenden Befragung im Hypo-U-Ausschuss entgegen, auch wenn es um die mittlerweile vielfach kritisierte Verstaatlichung der Bank geht, bei der er noch Staatssekretär im Finanzministerium war. Eine Verteidigungsstrategie brauche er sich da nicht zurecht zu legen. Denn die Spielräume mit einer Gefahr der sofortigen Pleite sei so eng gewesen, dass man das Handeln des Finanzministeriums gut begründen könne.

Zufrieden ist der Klubchef mit der U-Ausschuss-Reform, die sich nach einem "ein bisschen holprigen Anfang" bewährt habe. Das neue System habe der Sachlichkeit gut getan. Auch dass es eine einheitliche Sichtweise der Parlamentarier in Fragen wie Schwärzungen oder Ladungen gebe, sei ein gutes Zeichen für die demokratische Kultur. Zweifel, ob die Nationalratspräsidenten tatsächlich die idealen Vorsitzenden sind, teilt Schieder nicht. Er lobt die sachliche, zurückgenommene Arbeit von Parlamentschefin Doris Bures (SPÖ), ist aber bereit, diese Frage bei einer Evaluierung der Ausschuss-Reform noch einmal zu diskutieren. (APA, 4.9.2015)