Bürgerkrieg, Militärdiktatur, Verfolgung, Gewaltverbrechen: Lateinamerikas Bevölkerung ist leidgeprüft. Und schafft es einmal ein Land, so wie Guatemala, zu Frieden zu finden und sich zur Demokratie zu bekennen, so ist das für die Machtelite mit einiger Wahrscheinlichkeit nur Fassade. Das Land rangiert noch immer weit oben in den Mordstatistiken, und die Korruption blüht so ungeniert, dass sich sogar ein Staatspräsident, der mit einem Law-and-Order-Wahlkampf an die Macht kam, kaum Mühe gab, seine Machenschaften zu verbergen.

Man darf dennoch hoffen: In Guatemala erreichte die Bevölkerung mit friedlichen Massenprotesten, dass Staatschef Otto Pérez Molina die Immunität verlor und in Untersuchungshaft genommen wurde.

Lateinamerikas "Caudillos" sollten künftig also auf der Hut sein: Ihre Länder sind keine Selbstbedienungsläden. Wie man gesehen hat, können sich die Bürger auch effizient wehren. Davor fürchtete sich auch Ricardo Martinelli: Panamas Ex-Präsident, ebenfalls ein Freund strenger rechtsstaatlicher Ordnung, soll Millionen unterschlagen haben. Anfang des Jahres setzte er sich ins Ausland ab und ist seitdem auf der Flucht. Aufenthaltsort: unbekannt.

Andere Staatschefs versuchen, ihre Krise auszusitzen oder zu ignorieren – etwa in Venezuela oder Brasilien. Doch sie könnten die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben, denn Lateinamerikas Bürger emanzipieren sich nun und ziehen Konsequenzen – und zwar demokratische. (Gianluca Wallisch, 4.9.2015)