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Forscher sagen, dass spezifische Genvariationen das Ausmaß von Furchtlernen und Furchthemmung bestimmen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Greifswald – Einer verbreiteten Annahme zufolge entstehen Angststörungen dadurch, dass eine Person während eines schlimmen Ereignisses lernt, bestimmte Eigenschaften (Reize) der traumatischen Situation mit Angst (Reaktion) zu verknüpfen. Allerdings entwickeln nicht alle Personen, denen Schlimmes widerfährt, danach eine Angststörung.

Die Unterschiede in der Reaktion auf angstauslösende Situationen können unter anderem durch minimale Genvariationen bedingt sein, berichten Forscher der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Vor allem die Genregion 5-HTTLPR, die den Abbau von Serotonin mitbestimmt, und die Genregion COMT Val158Met, relevant für den Abbau von Noradrenalin und Dopamin, scheinen für Angst eine Rolle zu spielen.

"Uns interessierte, wie die Ausprägungen dieser Gene Menschen darin beeinflussen, wie sie Furcht erlernen und unterdrücken können", sagt Julia Wendt, Psychologin und Leiterin der Studie.

Konditionierung mit Stromschlägen

Die Forscher führten ein klassisches Furchtkonditionierungsexperiment mit 114 Probanden durch. Zunächst bestimmten sie bei allen Probanden die Allel-Ausprägungen der beiden Genorte 5-HTTLPR und COMT Val158Met. Das Experiment war in vier Phasen unterteilt. Während einer ersten Lernphase betrachteten die Probanden verschiedene geometrische Figuren an einem Bildschirm. Auf eine bestimmte Figurenkombination (zum Beispiel Trapez und Stern) folgte immer ein Stromschlag, der für die Probanden zwar nicht schmerzhaft, aber sehr unangenehm war.

Eine andere Kombination – etwa Dreieck und Stern – trat dagegen nie zusammen mit einem Stromschlag auf. Dadurch lernten die Personen, welche Form ein Gefahrensignal war (Trapez = drohender Stromschlag), und welche Form für Sicherheit stand (Dreieck = Ausbleiben des Schlags).

In der Testphase bekamen die Probanden das Gefahren- und das Sicherheitssignal gemeinsam zu sehen, und zwar ohne Stromschlag. Darauf folgten eine weitere Lernphase mit den gleichen geometrischen Formen sowie eine weitere Testphase. Die Autoren bestimmten das Ausmaß der Furcht in den Testphasen anhand der Schreckreaktionen der Probanden. Dazu ermittelten sie mit Hilfe eines Elektromyogramms (EMG) am Auge die Stärke des Lidschlusses, die eine wichtige Komponente des Schreckreflexes ist.

Erlernte Furcht hält länger an

Alle Probanden zeigten in der ersten Testphase eine stärkere Schreckreaktion beim Gefahrensignal als beim Sicherheitssignal. Während der zweiten Lernphase offenbarten sich allerdings Unterschiede: Genträger mit kurzem 5-HTTLPR Allel zeigten eine stärkere Schreckreaktion als die Genträger des langen Allels. Die Forscher werten das als einen Hinweis darauf, dass bei Trägern der kurzen Genvariante die Furchtreaktion besonders stabil erlernt wurde.

Während der gleichzeitigen Präsentation des Gefahren- und des Sicherheitssignals (Trapez und Dreieck) zeigten die Träger des COMT Val-Allels eine deutlich geringere Schreckreaktion, sie profitierten also von dem Sicherheitssignal. COMT Met-Allel-Träger hingegen zeigten eine gleichbleibend hohe Schreckreaktion. Die Autoren der Studie vermuten, dass diese Genträger das Sicherheitssignal nicht dazu benutzen können, um ihre Furcht zu verringern.

Kombination von Gen-Ausprägungen

Eine weitere Frage war, wie nun verschiedene Ausprägungen der Gene mit den Reaktionen der Probanden zusammenhängen? Analysen zeigen, dass die Schreckreaktion bei Probanden mit einer Genkombination aus COMT Val-Allel und kurzem 5-HTTLPR Allel schwächer war, wenn ein Sicherheitssignal vorhanden war.

Personen mit der Genkombination des homozygoten COMT Met-Allels und kurzem 5-HTTLPR Allel zeigten trotz vorhandenem Sicherheitssignal keine Hemmung und außerdem eine insgesamt stärkere Schreckreaktion.

"Unsere Ergebnisse passen zum Befund, dass diese Allel-Ausprägungen bei Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung gehäuft vorkommen. Während der Einfluss eines einzelnen genetischen Faktors eher gering einzuschätzen ist, könnte die Kombination dieser Ausprägungen auf beiden Genen ein besonders erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Angststörung darstellen", fasst Julia Wendt die Ergebnisse zusammen. (red, 4,9,2015)