Das Foto, am Mittwoch veröffentlicht in Heute, auf dem sich Ursula Stenzel hingegossen an die Schulter des neuen Gönners präsentiert, hat alles Zeug, als eine Ikone der politischen Prostitution in die Geschichte des Landes einzugehen. Es wäre nicht die erste, fällt einem dazu doch sofort jenes andere Foto ein, auf dem sich Wolfgang Schüssel neben Jörg Haider in dessen Porsche fläzt – beides Ablichtungen der dunklen Seite des heimischen Bürgertums, das sich unter Preisgabe angeblicher Prinzipien und ohne jedes Schamgefühl in die Arme der politischen Niedertracht flüchtet, wenn es nur so seine Haut retten zu können glaubt. Das schmierige Grinsen des Handküsserkönigs verrät die Freude über den doppelten Fang, der ihm da ins Netz gegangen ist, hofft er doch nicht nur auf das in Stenzel verkörperte Paket an ÖVP-Stimmen, sondern auch auf eine Verbesserung seines Rufes durch den Familienanschluss an die Enkelin eines Rabbiners.

Bei keiner anderen Partei würde diese Herkunft eine Rolle spielen. Wie wichtig sie für den Obmann einer Partei mit dem Ehrenkodex des rechtsextremen Ausrutschers ist, geht schon aus dem Eifer hervor, mit dem die Kronen Zeitung als sein unverhüllter Förderer ihre Abstammung "aus einer jüdischen Familie" unter die Leute bringt, obwohl derlei doch eher nicht zu den Hauptthemen des Wiener Wahlkampfes gehört. Wenn es sein muss, springt Strache über den antisemitischen Schatten seiner Partei, wie er ja auch nicht Arbeitslager für Flüchtlinge fordert. Das tun nur Parteifreunde. Und Stenzel hüpft eifrig mit, verkündete sie doch via Österreich, ohne danach gefragt worden zu sein: "Ich bekenne mich zu meiner jüdisch-christlichen Herkunft."

Zu der aus der ÖVP nun weniger. Es ist ja durchaus erfreulich, wenn auch ältere Menschen sich noch neue Ziele setzen, ohne die Realität aus den Augen zu verlieren, und für diese Wende jemanden finden, der sie ihnen öffnet. Viele Jahre lang ist Stenzel in Wien für die ÖVP angetreten, jetzt erkennt sie, dass es sich dabei um eine "Funktionärsclique ohne Kraft zur Veränderung" handelt. Die FPÖ hat zwar überall, wo sie zur Veränderung angetreten ist, bisher nur Verwüstung hinterlassen und sich auch in Wien mehr auf Verhetzung statt auf Veränderung spezialisiert, aber Stenzel hat endlich den Erlöser aus der Knechtschaft der Funktionärsclique gefunden.

Arm in Arm mit ihm – "weil die FPÖ bereits jetzt die bessere Volkspartei mit sozialer Kompetenz in Wien ist" – will sie die rot-grüne Dominanz in Wien brechen. Was ja politisch legitim ist, man hätte nur zu gerne gewusst, warum ihr das erst nach ihrer Abhalfterung in der ÖVP zu einem so dringenden Bedürfnis wird, dass sie das Heil der Stadt nur noch in der FPÖ sehen kann. Wer nach substanziellen Ideen sucht, wird sie weder bei Stenzel noch bei Strache finden.

Letztlich bleibt derselbe Rest wie bei allen Parteiwechseln der letzten Zeit. Es geht um ein paar Jahre mehr auf einem politischen Mandat, mit Einkommen ohne Verantwortung. Wozu dieser mit Handkuss besiegelte Coup dem Küsser und der Beküssten verhilft, bleibt abzuwarten. Zu mehr bürgerlicher Reputation gewiss nicht.(Günter Traxler, 3.9.2015)