In zweiter Reihe im Kuppelsaal mit rund 80.000 Büchern. Mehr Bilder von der Klosterneuburger Stiftsbibliothek in Newalds Photoblog.

Foto: Robert Newald

Klosterneuburg – Die Rollos sind bis zum Fensterbrett heruntergezogen. In den gut fünf Meter hohen Räumen im Südtrakt des Stifts Klosterneuburg riecht es nach Staub, altem Papier und Ledereinbänden. "Ideal", sagt Martin Haltrich, auf eines der zahlreichen Messgeräte blickend, das 49 Prozent Luftfeuchtigkeit anzeigt.

Seit zweieinhalb Jahren leitet Haltrich die Klosterneuburger Stiftsbibliothek. Der 40-Jährige ist zugleich ihr einziger Vollzeitmitarbeiter. Eine Studentin unterstützt ihn 16 Stunden in der Woche. Zusätzlich empfängt er Wissenschafter projekteweise.

Etwa vier bis fünf Mal im Jahr veranstaltet Haltrich, der Germanistik und Geschichte studiert hat, zudem Bücherabende für maximal 30 Interessierte. Dann legt er im Kuppelsaal zu einem bestimmten Thema ein paar dicke Wälzer aus Leder und Pergament auf, in denen mit Liebe zum kleinsten Detail verzierte Initiale oder bunte Abbildungen von Heiligen, medizinische Motive oder Sternbilder zu betrachten sind.

Sechs Kilometer Regallänge

Der das Klosterneuburger Stift aufsuchende Besucherstrom bekommt die Bibliothek der Chorherren, die rund 300.000 Werke auf sechs Kilometern Regallänge umfasst, aber nicht zu sehen. Obwohl sie "die größte Sammlung mittelalterlicher Bücher in einem Kloster noch in situ" beinhaltet, wie Haltrich nicht ohne Stolz sagt. Seit etwa zweieinhalb Jahren werden die Handschriften wissenschaftlich erfasst. Man stehe bei 30 Prozent.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war dies eine Universalbibliothek. Neben Werken zur Religion finden sich viele Geschichte-Bände, etwa über die Kronländer. Auch einiges an Habsburg-Propaganda habe er schon entdeckt, sagt Haltrich: "Man merkt, dass das Stift immer Nähe zum Hof hatte."

Neben Werken auf Latein finden sich Schriften auf Deutsch, darunter eine Bibelübersetzung von Ende des 14. Jahrhunderts, wie Haltrich stolz sagt. "Lange vor Luther!"

"Plexiverglasen"

Der Bibliotheksleiter schätzt es, dass nur wirklich Interessierte Zutritt zu seinem Reich erhalten. Sonst, so sagt er, müsste man die Regale im Kuppelsaal, in dem sich 80.000 Bücher befinden, "plexiverglasen". Die blass bemalte gewölbte Decke des Saals und die Goldverzierungen der Holzregale fielen im Vergleich zu den Herzstücken anderer Stiftsbibliotheken wie Melk oder Zwettl mit ihren repräsentativen Barockräumen relativ bescheiden aus. Den Lesesaal richtete Architekt Joseph Kornhäusel 1834 bis 1842 im klassizistischen Stil ein. Dafür wurde eine Zwischendecke eingezogen, denn ursprünglich war der Platz als großzügige Stiegenhauskuppel konzipiert.

Tausende Werke in Klosterneuburg gehörten einst zu den Bibliotheken einzelner Chorherren. Nach deren Tod ergingen diese dann ans Stift. Daher sind die Buchrücken auch bunter als in anderen Stiftsbibliotheken, wo die Bände so weit wie möglich einheitlich gebunden wurden. An den Kuppelsaal schließen mehrere weitere, deutlich schlichtere rechteckige Räume voll mit Bücherregalen an. Sie gehören seit 1885 zur Bibliothek, die insgesamt 14 Räume umfasst. Zuvor waren es Chorherrenwohnungen.

Ausstellung in Vorbereitung

Derzeit arbeitet Haltrich an der Vorbereitung einer am 14. September eröffnenden Handschriften-Ausstellung. Unter dem Titel "Kloster, Kaiser und Gelehrte" haben Maria Theisen von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Kunsthistorikerin und Kuratorin der Schau, und er besonders interessante Exponate aus dem Bestand ausgewählt. Theisen ist auf Malerei in mittelalterlichen Handschriften spezialisiert. Für die Schau, die bis 30. Juni 2016 laufen wird, kooperiert man mit der University of Harvard und dem Handschriftenzentrum Leipzig. Sie findet im Stiftsmuseum statt. (Gudrun Springer, 3.9.2015)