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Bei den Mikrochips ist noch Luft nach oben. Im Bild eine Ameise mit einem Chip. Im Silicon Valley südlich von San Francisco – geltend als ein Innovationsmotor – wird statt Silizium immer öfters Galliumnitrid verwendet.

Foto: Reuters/Huddersfield University Precision Technology

Am Anfang gab es eine Taste, manchmal zusätzlich ein, zwei Knöpfe. Damit ließ sich ein Radioapparat oder ein TV-Gerät ein-, aus- oder umschalten. Die Verdrängung der Röhrentechnologie durch Mikroprozessoren ebnete der Fernbedienung den Weg. Ein Knopf reichte plötzlich nicht mehr. Um ein Gerät bedienen zu können, war und ist noch immer eine mehr oder weniger handliche Tastatur notwendig.

Damit könnte bald Schluss sein. Das lästige Drücken auf Knöpfe und Tasten könnte durch Gestik und Sprache abgelöst werden. Das machen sogenannte Leistungshalbleiter möglich. Dank einer neuen Technologie lassen sich auf immer kleinerem Platz immer mehr Funktionen unterbringen. Prozessoren und Sensoren werden unser Leben künftig noch mehr bestimmen, als sie das heute schon tun.

"Gewaltiges Potenzial"

"Galliumnitrid steckt noch in den Kinderschuhen, eröffnet aber ein gewaltiges Potenzial," sagte Andreas Urschitz bei einem Lokalaugenschein des STANDARD im Silicon Valley. Der gebürtige Klagenfurter leitet beim deutschen Infineon-Konzern den Geschäftsbereich Power Management & Multimarket (PMM).

Galliumnitrid (GaN), das derzeit noch rund fünfmal so teuer ist wie konventionelles, in Mikroprozessoren als Leitmaterial eingesetztes Silizium, werde wegen der hervorragenden Eigenschaften auf die Überholspur rücken. Kaum ein Stein werde dann auf dem anderen bleiben.

Zuvor müssten freilich noch einige technische Probleme bewältigt werden. Schwerpunktmäßig geforscht wird bei Infineon dazu im Werk in Villach. Durch Auslagerung bereits erprobter Technologien und Vergabe eines kleineren Teils der Produktion an Partnerunternehmen ist im Kärntner Werk Platz für Neues geschaffen worden. In Villach beschäftigt Infineon zurzeit rund 3300 Mitarbeiter.

Neben Infineon sind mehr oder weniger alle namhaften Halbleiterhersteller an der Entwicklung von GaN, einer Kombination aus Gallium und Stickstoff, dran. Wer als Erster mit einer optimierten Lösung am Markt ist, kann den Rahm in Form von extrahohen Margen abschöpfen.

Ohne Ableger an der amerikanischen Westküste, dem Technologie-Hotspot Amerikas, sind die Aussichten, am Markt zu reüssieren, freilich gering. Infineon hat den Nachteil, die Zentrale in Neubiberg bei München und die Forschungs- bzw. Produktionsstandorte ebenfalls weitab vom Silicon Valley zu haben, inzwischen beseitigt. Durch die vor einem Jahr verkündete Übernahme von International Rectifier, einem Hersteller von Spezialhalbleitern, haben sich die Münchner ins Zentrum des Geschehens reklamiert.

Infineon konnte damit nicht nur zahlreiche neue Kunden bis hin zur US-Raumfahrtindustrie gewinnen; man möchte auch vom Gründer- und Innovationsgeist etwas nach Europa mitnehmen. "Unsere Organisation muss schneller, besser, agiler werden", sagte Konzernchef Reinhard Ploss am Sitz von Infineon USA in El Segundo, fünf Autominuten vom Flughafen Los Angeles entfernt. Die Halbleiterindustrie sei "eine Art Know-how-Staubsauger, die alle Innovationen aggregiert."

Jede Menge Start-ups

Von El Segundo nach Mountain View sind es mit dem Auto fünf Stunden. Dort befindet sich die Firmenzentrale von Google. Palo Alto ist quasi um die Ecke, Hewlett-Packard, Skype und Tesla haben dort ihren Sitz. Apple hat seinen Sitz in Cupertino. Dazwischen gibt es jede Menge Start-ups. Dort arbeitet in den allermeisten Fällen eine bunte Mischung an Professionen zusammen – in Garagen oder anderen Provisorien. Büroraum ist teuer.

"Hier probiert und macht man, bei uns findet man tausend Gründe, warum etwas nicht geht", sagt Andreas Urschitz, der Klagenfurter. Noch ein Unterschied sei ihm aufgefallen: "Wir in Europa bringen ein Produkt erst heraus, wenn es hundertprozentig passt. Die Amerikaner kommen rasch auf den Markt, verbessern nach und nach und haben damit meist die Nase vorn." Auch deshalb sei es wichtig, im Silicon Valley präsent zu sein und zu lernen.

Urschitz fliegt etwa zehnmal im Jahr über den großen Teich und geht, wann immer es ihm möglich ist, in Garagenfirmen. Auch mit ganz Großen wie Google ist Urschitz auf Tuchfühlung. "Wir sind seit kurzem dabei, gemeinsam einen Standard für die Gestensteuerung zu entwickeln. Das ist ein erster Durchbruch." (Günther Strobl aus San Francisco, 3.9.2015)