Woraus werden die Knackwürste gemacht? Aus den Resten vom Leberkäse. Und woraus wird der Leberkäse gemacht? Aus den Resten der Knackwürste – zumindest wenn man Josef Hader als Simon Brenner im Film "Silentium" glaubt. Ganz unrecht hat er damit natürlich nicht, wenngleich es mittlerweile eine große Bandbreite an Würsten und Füllungen gibt. Dass die Wurst weit mehr sein kann als ein gefüllter Darm mit allerlei Undefinierbarem, zeigen kreative und ambitionierte Wurstfans und Fleischhauer in Österreich.

Die Wurst hat hierzulande auch schon bessere Zeiten erlebt, ist sie doch meist nur Nebenbeisnack auf Feuerwehrfesten, dankbares Grillgut bei Gartenpartys oder die perfekte Unterlage für durchzechte Nächte. Dabei kann Wurst richtig schmecken und muss nicht immer in Bergen von Senf und Ketchup versinken oder in ein trockenes Weckerl gesteckt werden.

Bild nicht mehr verfügbar.

Gebrüht, gebraten, geräuchert oder getrocknet – entscheidend ist die Füllung.
Foto: Tanya Zouev / the food passionates / Corbis

Kosmopolitische Wurst

Wenn ein Spanier in Wien eine "Eitrige" bestellt – was in der Regel fast ausschließlich Touristen machen, weil es ihnen ein Freund erzählt hat und sie denken, dass der Mann im Würstelstand sonst nicht weiß, dass sie gern eine Käsekrainer hätten – und zum ersten Mal reinbeißt, wird er in der Regel keine Freudensprünge ob des großartigen Geschmacks machen. Viel zu stolz ist man in Spanien auf die eigenen Würste – mit Recht. Die Chorizo wird zu allen Gelegenheiten und in unterschiedlichen Varianten verzehrt – als Aufschnitt, gegrillt oder in Eintöpfen schmeckt die herzhaft würzige Wurst einfach großartig. Auch die italienische Salsiccia lässt die österreichische Bratwurst wie ein armes Würstchen aussehen – und das trotz der äußerlichen Ähnlichkeit. Es kommt eben doch auf die inneren Werte an, und die sind bei der Salsiccia eine Gaumenfreude, wird sie meist mit edlen Gewürzen und Rotwein verfeinert und das Brät oft als Einlage von Pastasaucen verwendet.

Wer ganz genau wissen will, was drin ist, der macht seine Wurst gleich selbst. Lernen kann man das unter anderem bei den beiden Food-Bloggern Antonia Kögl und Benedikt Steinle von "Because you are hungry". Regelmäßig bietet das Paar Kurse an, bei denen man das Wursten von der Pike auf lernt. Schwierig ist das nicht. "Die Rezeptur ist einfach. Beim Würzen sind der Fantasie ohnehin keine Grenzen gesetzt. Das Füllen und Drehen muss man dann einfach üben. Ein Darm ist sehr flexibel, und dass er reißt, kommt sehr selten vor", sagt Kögl. Was frisch gemacht und natürlich hergestellt wird, hält sich auch nicht ewig. Gemeint ist damit das Nitritpökelsalz, auf das Kögl und Steinle bei der Herstellung von Brat- und Brühwürsten gänzlich verzichten. Einfrieren ist aber kein Problem.

In der Antike stand dieses Thema gar nicht zur Debatte, hatte man doch weder Pökelsalz noch einen Gefrierschrank. Doch bereits damals gab es eine Urform der Wurst, bei der Schweine- oder Schafsmägen gefüllt wurden. Generell diente und dient die Wurst dazu, geschlachtete Tiere weitestgehend zu verwerten und haltbar zu machen.

Privat versucht sich Kögl übrigens an ausgefallenen Trocken- und Räucherwurstkreationen, die sie dann in ihrer Wohnung zwischen Doppelglasfenstern auf einer Besenstange aufhängt. Hintergrundwissen – zum Beispiel zur Lufttrocknung – liefert unter anderem der Tiroler Mario Pizzinini, der eine ganze Website inklusive Blog der Wurst widmet. "Ich will Wurstwissen mit Witz und Humor verbreiten. Die Wurst ist ein Handwerksprodukt, und es gibt ganz tolle Handwerker in Österreich", sagt Pizzinini.

Wurstfestival

Mindestens genauso heiß auf Würste sind Markus Weber und Florian Steininger, die mit ihrem Verein Wiener Sausage Mitte September das erste Fest der Wurst im Heuer am Karlsplatz in Wien veranstalten. Dabei wird es nicht nur köstliche Würste in allen Variationen geben, sondern auch Literarisches und Musikalisches rund um die gefüllte Köstlichkeit. Mit dabei sind unter anderem "Britwurst"-Gründer und Wurst-Pionier Richard Holmes sowie Traditionsfleischhauer Roman Thum. "Das Thema Streetfood ist ja auch bei uns in aller Munde – doch hat man ein bisschen auf die Wurst vergessen. Das wollen wir ändern", sagt Weber.

Ein Highlight ist sicher das Wurstdinner, bei dem nicht etwa einfach nur unterschiedliche Würste nacheinander serviert werden. Vielmehr gibt es bei dem mehrgängigen Dinner unter dem Motto "In Hülle und Fülle" Ausgefallenes wie ein Aalravioli, das in einer Schweineblase gedämpft wird. Klingt irgendwie gar nicht nach der Wurst, wie man sie vom Würstelstand um die Ecke kennt. Kämpft sich die Wurst langsam vom Papptellerimage auf Porzellangeschirrniveau? Zeit wäre es! (Alex Stranig, Rondo, 5.9.2015)