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Neue Daten zum Bienensterben verblüffen Forscher: In der Nähe von Maisfeldern oder Abraumhalden überleben Bienen auch nicht schlechter als im Umfeld von Trockenrasen mit großer Pflanzenvielfalt.

Foto: APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Belvaux/Wien – Bei Weiler-la Tour scheint die Welt noch in Ordnung zu sein – zumindest auf den ersten Blick. Das luxemburgische Dorf liegt eingebettet in eine sanft hügelige Landschaft mit Wiesen und Hecken, eine Herde Kühe döst in der Mittagssonne. Schmetterlinge laben sich an den lila Blüten, auch zahlreiche Hummeln und Honigbienen umschwirren sie. Brummende Betriebsamkeit überall.

Diese alltägliche Idylle könnte bald der Vergangenheit angehören. Experten schlagen Alarm: Apis mellifera, die Honigbiene, wird immer seltener. Immer mehr Imker klagen über herbe Verluste. Vor allem über den Winter sterben zu viele Völker.

Über die möglichen Ursachen des Bienenschwunds wird heftig gestritten. Sind Parasiten und Krankheitserreger schuld oder doch eher die intensive Landwirtschaft mit ihren Pestiziden? Die Hintergründe dürften komplexer sein, meint Marco Beyer vom Luxemburgischen Institut für Wissenschaft und Technik in Belvaux. Es gehe nicht nur um die Agrarindustrie. "Bienen haben auch ein Problem mit unserer Zivilisation insgesamt." Wie so viele Tier- und Pflanzenarten.

Enormer Wert der Insekten

Die fleißigen Insekten sind allerdings auch von großem wirtschaftlichem Nutzen – als Bestäuber von Obstbäumen und anderen Nutzpflanzen. Hochrechnungen zufolge dürfte der Wert dieser Dienstleistung der Insekten weltweit weit mehr als 120 Milliarden Euro jährlich betragen. Grund genug also, ihrem Verschwinden entgegenzutreten.

Marco Beyer und einige seiner Kollegen haben die potenziellen Zusammenhänge zwischen Bienensterben und Landnutzung untersucht. Die Forscher stellten die Häufigkeit von Winterverlusten an insgesamt 192 verschiedenen Imkerstandorten in ganz Luxemburg der jeweiligen Landschaftsstruktur in einem analytischen Modell gegenüber. Ziel war das Aufzeigen von eventuellen Korrelationen. Wegen großer Unterschiede in Waldanteil, Geologie und Regionalklima wurden der Norden und der Süden des Landes getrennt betrachtet.

Die Ergebnisse der Studie haben die Wissenschafter in mehreren Punkten völlig überrascht. Man hatte erwartet, dass bestimmte Formen der Landnutzung den Bienenvölkern einen gewissen Schutz vor der Wintersterblichkeit bieten würden, während andere keinen Einfluss haben oder das Verenden gar fördern. Nach den Auswertungen scheint es solche Zusammenhänge tatsächlich zu geben, aber sie entsprechen nicht unbedingt der gängigen Logik. In der Nähe von Maisfeldern war die Sterberate relativ gering, auch wenn diese Anbauflächen für Bienen praktisch keine Nahrung bereithalten.

Ähnliches ließ sich bei Abraumhalden von Minen beobachten. Im Umfeld von Silikat-Trockenrasen mit einer großen Vielfalt an Pflanzenarten dagegen lag die Mortalität eher hoch, wie die Forscher im Fachblatt "Science of the Total Environment" berichten. Die Hintergründe dieser Trends lassen sich momentan nicht vollständig erklären, sagt Marco Beyer. "Es sind offenbar noch andere Faktoren im Spiel."

Nicht so erstaunlich ist jedoch eine andere Korrelation: In dicht besiedelten Gegenden mit starker Bebauung und vielen Straßen kamen überdurchschnittlich viele Bienenvölker nicht durch den Winter. Beyer sieht hier einen möglichen Deutungsansatz. "In Luxemburg wird immer mehr landwirtschaftliche Fläche verbaut", betont er. Die Urbanisierung greift um sich. Maisfelder und andere nicht unbedingt bienenfreundliche Landnutzungsformen verhindern vielleicht nur die Anwesenheit von noch Schädlicherem. Das würde allerdings nicht erklären, warum Magerrasen oder auch Wiesen den Bienenschwund nicht verringern.

Einfache Schutzmaßnahmen

Trotz der offenen Fragen sieht Beyer genug Möglichkeiten zum verbesserten Schutz von Apis mellifera. Kahlschlag in der Waldwirtschaft zum Beispiel lässt die Wintersterblichkeit deutlich steigen und sollte somit unterbleiben. Auch die Bauern können durch bienenfreundlicheres Vorgehen einen großen Beitrag liefern. Der Einsatz von bestimmten Insektiziden, den sogenannten Neonikotinoiden, wurde in einigen europäischen Ländern bereits verboten oder eingeschränkt.

Je weniger Gift, desto besser. (Kurt de Swaaf, 1.9.2015)