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Flüchtlingsproteste vor dem Bahnhof in Budapest.

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Kommissionschef Juncker will kommende Woche seinen Plan präsentieren.

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Hubschrauber von Frontex über Lesbos: EVP fordert Änderung bei Grenzschutz.

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Brüssel/Wien – Die EU-Kommission reagiert mit Krisentreffen auf den zuletzt außer Kontrolle geratenen Umgang mit Flüchtlingen in Europa. Am Donnerstag wird der ungarische Regierungschef Viktor Orbán mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über die Lage beraten, am Freitag ist Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in Brüssel an der Reihe.

Wie eine Sprecherin dem STANDARD bestätigte, bereitet die Kommission wegen Versäumnissen in der Asylpolitik auch zahlreiche Warnbriefe an EU-Staaten vor. Ob Österreich wegen der mangelhaften Unterbringung in Traiskirchen gemahnt wird, war vorerst unklar. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte im ORF Report, dass UNHCR-Sonderbeauftragter Kilian Kleinschmidt ab sofort das Erstaufnahmelager Traiskirchen beratend unterstützen werde.

Die österreichische Regierung kritisierte am Dienstag, dass Ungarn Flüchtlinge ohne Kontrollen der Reisedokumente mit Zügen Richtung Österreich und Deutschland habe ausreisen lassen. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) forderte Ungarn auf, die Dublin-Regeln einzuhalten, und sprach sich einmal mehr gegen den 175 Kilometer langen Grenzzaun an der ungarisch-serbischen Grenze aus. Budapest zitierte im Gegenzug den österreichischen Botschafter in Ungarn, Ralph Scheide, ins Außenministerium. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó erklärte, Faymanns Aussagen könnten zu "gefährlichen Spannungen" führen. Der Kanzler wird zum Thema Flüchtlinge am Montag seine tschechischen und slowakischen Amtskollegen Bohuslav Sobotka und Robert Fico in der Slowakei treffen. Das sagte eine Sprecherin Faymanns am Mittwoch.

Quotensystem für Flüchtlinge: Neuer Anlauf der EU

Zu Beginn des Sommers gab es in Europa politisch nur ein Thema: die Griechenlandkrise. Rund zwei Monate später ist alles anders. Nach dem Ende der Sommerpause müssen sich EU-Kommission und EU-Parlament vor allem der aktuellen Flüchtlingskrise in Europa widmen.

Geht es nach dem Willen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, soll es dabei Schlag auf Schlag gehen: Die Brüsseler Beamten sind gerade dabei, einen umfassenden Vorschlag zu erarbeiten. Dieser soll eine einheitliche Reaktion der Union auf die drastisch gestiegene Zahl der Asylsuchenden ermöglichen. Schon diese Woche soll der Plan stehen, bereits am kommenden Mittwoch will Juncker bei seiner traditionellen Rede zur Lage der Union vor dem EU-Parlament in Straßburg die Details präsentieren. Mitte September sollen sich dann die Innen- und Justizminister der EU-Länder bei einem Sondertreffen in Brüssel auf die neuen Regeln verständigen.

Die Stoßrichtung des Vorschlages ist klar: Die Kommission will sicherstellen, dass nicht nur einige wenige Länder wie Deutschland, Griechenland, Italien und Österreich die Verantwortung übernehmen müssen – Asylsuchende sollen innerhalb der gesamten EU besser aufgeteilt werden.

Bereits im Juni hatte die Kommission einen ähnlichen Plan vorgelegt, damals war aber nur die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf andere Länder vorgesehen. Der Verteilungsplan 2.0 soll in jeder Asylkrise und für jedes Land anwendbar sein. Angedacht ist also die Festsetzung eines generellen Verteilungsschlüssels von Asylsuchenden für jedes Land. Über Details wollten die Brüsseler Beamten am Dienstag nichts verraten. Eine Möglichkeit ist, dass Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, mit Geldern aus dem EU-Strukturfonds belohnt werden.

Allerdings gibt es eine Reihe von Widerständen. Bereits im Juni hatten sich Tschechien und die Slowakei erfolgreich gegen eine verpflichtende Quote quergelegt. In der Slowakei stehen im kommenden Jahr Wahlen an und Premier Robert Fico glaubt sich gegen Rechtsparteien absichern zu müssen. Die tschechische Regierung versucht bisher generell mit ihrer harten Haltung gegenüber Asylwerbern aufzufallen.

Nun machen Tschechen und Slowaken neuerlich mobil. Ende der Woche wollen sich die Regierungschefs der beiden Länder mit ihrem ungarischen und polnischen Amtskollegen in Prag treffen, um eine gemeinsame Position zu den EU-Vorschlägen zu vereinbaren. Detail am Rande: Die freiwillige Aufnahme von 500 Flüchtlingen aus Österreich bietet der Slowakei ein gutes Argument in den Diskussionen mit der Brüsseler Behörde, ganz nach dem Motto: Wir brauchen keine verpflichtenden Quoten, wir machen ja freiwillig was.

Argumentationshilfe für Bratislava

Die Kommission muss sich aktuell aber auch mit den Streitereien zwischen Ungarn und Österreich wegen der Asylfrage herumschlagen: Am Donnerstag wird Ungarns Premier Viktor Orbán in Brüssel erwartet, einen Tag später kommt Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Der Fokus wird laut Brüsseler Behörde auch bei diesen Treffen auf Asylthemen liegen.

Auch im EU-Parlament sind die Debatten neu entflammt: Der Chef der Christdemokraten im Parlament, Manfred Weber, fordert, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Sicherung der Außengrenzen in mehreren Ländern übernehmen soll, die überfordert sind. Weber denkt dabei an Griechenland und Italien.

Angesichts dessen, dass täglich Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, primär darüber reden zu wollen, wie man Grenzen besser schützen kann, sei zynisch, sagt der österreichische EU-Parlamentarier und Grünenpolitiker Michel Reimon. Er geht davon aus, dass die EU-Kommission den Widerstand gegen die Aufteilung der Flüchtlinge nicht brechen können wird, da auch die Briten dies äußerst skeptisch sehen.

Reimon erwartet, dass Juncker vorschlagen wird, einen Vertrag für die Flüchtlingsverteilung aufzulegen, dem Staaten beitreten können, aber nicht müssen. Solche Ideen gehen in die richtige Richtung, sind aber nicht genug, meint der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer. Notwendig wäre die Einrichtung von Fluchtkorridoren, um Menschen die sichere Überfahrt von Nordafrika nach Europa zu ermöglichen. Eine Lösung der Krise werde nicht gelingen, solange man in den Herkunftsländern der Asylsuchenden nicht für bessere Lebensbedingungen sorgt, so der Politiker. (András Szigetvari aus Brüssel, 1.9.2015)