Die ÖVP wollte Ursula Stenzel nicht mehr als Spitzenkandidatin für den ersten Wiener Gemeindebezirk, sie wechselt zur FPÖ.

Foto: Standard/Fischer

Bild nicht mehr verfügbar.

Bisher war der erste Bezirk fest in Hand der ÖVP.

Grafik: APA

Bild nicht mehr verfügbar.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bedankt sich.

Foto: apa/Pfarrhofer

Stenzel sei eine "großartige Persönlichkeit", sagt Strache über seine neue Kandidatin.

Foto: Standard/Fischer

Wien – "Nein", sagte Ursula Stenzel bei ihrer Präsentation. "Ich bin überhaupt nicht machtgeil." Eine Kandidatur bei der Wien-Wahl auf der Liste der FPÖ habe sie aber einem Antritt mit unabhängiger Liste vorgezogen. Der Deal mit den Freiheitlichen sei die "erfolgversprechendste Variante".

fischer

Die von der ÖVP nicht mehr berücksichtigte Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt hat sich also für einen Wiederantritt auf einem FPÖ-Ticket entschieden. Sie kandidiert aber nicht nur bei der Bezirksvertretungswahl, sondern auch auf Platz drei der freiheitlichen Liste für die wienweite Gemeinderatswahl. Das gaben Stenzel und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Dienstag bekannt. Noch am Montag hatte die FPÖ einen Wechsel Stenzels auf Anfrage des STANDARD explizit dementiert.

Austritt aus ÖVP am Montag

Stenzel ist am Montag aus der ÖVP ausgetreten. Ihr Wechsel als unabhängige Kandidatin zu den Freiheitlichen sei aber "nicht aus persönlichem Ressentiment" der ÖVP gegenüber passiert. "Ich bin dieselbe geblieben, nur die anderen haben sich geändert. Ich bin ein Signal für die Stadt, dass die FPÖ wählbar ist."

"Rot-Grün verhindern"

Die von der rot-grünen Stadtregierung betriebene "Ausgrenzungspolitik" bezeichnete Stenzel als "Fehlentwicklung". Die "jahrzehntelange Diffamierung der FPÖ" habe nur dem "Machterhalt der SPÖ in Wien und im Bund gedient". Sie wolle die FPÖ darin unterstützen, die rot-grüne Dominanz in Wien zu brechen. "Und weil ich Rot-Grün in der Inneren Stadt verhindern möchte." Stenzel sieht eine "Umbruchsituation in Wien – nicht zuletzt angesichts der Asyldramatik".

Stenzel will Bezirksvorsteherin bleiben

Die nunmehr blaue Spitzenkandidatin in der City will den Ersten als bürgerlichen Bezirk erhalten. "Ich will aber auch darüber hinaus in Wien aktiv sein", sagte Stenzel. Sie würde dank ihrer Listenplatzierung ein fixes Gemeinderatsmandat erhalten. Wenn sie aber im Ersten gewählt wird, "bleibe ich Bezirksvorsteherin", sagte sie.

Die ÖVP hatte sich schon Ende vergangenen Jahres einstimmig für Markus Figl als Spitzenkandidaten entschieden und Stenzel praktisch abgewählt. Seither ließ sie eine Kandidatur mit eigener Liste offen, es gab auch offene Avancen des Teams Stronach. Ihre Entscheidung für die FPÖ sei während des Urlaubs im August gefallen, sagte Stenzel. Damit habe sie kein Problem. "Ich bekenne mich weiter zu meiner christlichen, jüdischen Herkunft."

Stenzel 2006: Demokratie hält Strache aus

2006 klang das alles noch anders. Da sprach Stenzel im Interview mit dem jüdischen Magazin "Nu" auch über Haider und Strache. Damals sagte sie: "Strache will jetzt im selben Segment Wähler um sich scharen. Das ist nicht gut. Man kann es aber in keinem Land verhindern, dass solche Politiker hochkommen. Ich glaube, dass unsere Demokratie so etwas aber aushält."

Selbst im November 2012 war das Verhältnis zwischen der FPÖ und Stenzel noch weniger innig und wertschätzend. Damals wechselte Stenzels Stellvertreterin als Bezirksvorsteherin, die einstige ÖVP-Mandatarin Jessi Lintl, zum Team Stronach. Georg Fürnkranz, FPÖ-Klubobmann im Ersten, beurteilte das damals so: "Wer weiß, vielleicht wechselt ja Stenzel im nächsten Jahr auch die Seiten und erklärt, dass alles beim Alten bleibt – eh wurscht!" Diese Prognose hat sich, anders als damals vielleicht gedacht, bewahrheitet.

Strache, Spitzenkandidat in Wien, bezeichnete Stenzel am Dienstag als "großartige Persönlichkeit", sie sei "geradlinig" und aus einem "anderen Holz geschnitzt" – und sie sei "keine Duckmäuserin". Sie sei "bürgerlich-konservativ, aber auch eine progressive Politikerin", was dieser Wechsel jetzt beweise. Mit Stenzel will Strache die "historische Chance nutzen" und Wahlsieger in Wien werden.

Juraczka ist schockiert

ÖVP-Landesparteichef Manfred Juraczka zeigte sich vom Wechsel Stenzels zur FPÖ "schockiert" und "menschlich enttäuscht". Er könne "wahrlich nicht nachvollziehen, wie man als Christdemokratin, Bürgerliche und glühende Europäerin für die FPÖ kandidiert, nur um den eigenen Machterhalt zu sichern". Er habe Stenzel nach den Querelen um ihre Abwahl angeboten, als Doppelspitze gemeinsam mit Figl zu kandidieren. Das habe sie abgelehnt. Für Figl hat Stenzel ihre "Glaubwürdigkeit damit ein für alle Mal verloren".

Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek war vom Wechsel "entsetzt". "Das sind Verfallserscheinungen in der Politik", sagte er im STANDARD-Interview. Unter Busek wurde Stenzel Kandidatin für die EU-Wahl und saß von 1999 bis 2006 im Europäischen Parlament. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka dagegen will den Wechsel nicht überbewerten. "Ich habe es aber lieber, wenn jemand zu uns kommt."

Häupl: Wechsel "extrem schwer nachvollziehbar"

Für Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist der Wechsel "extrem schwer nachvollziehbar. Ich glaube, sie hat sich selbst nichts Gutes getan." Es sei ihm ein Rätsel, wie die europapolitischen Positionen der ÖVP mit jenen der FPÖ kompatibel seien.

Für die Grünen biete sich "eine einmalige Chance für unseren Bezirk", sagte Alexander Hirschenhauser, der Klubobmann der Inneren Stadt. Der ÖVP droht jedenfalls der Verlust des Bezirksvorstehers.

Die Neos sehen ein Vorzeichen für den ÖVP-Traum von einer blau-schwarzen Regierung auf Landesebene. "Wien braucht neue Ideen und neue Köpfe in der Politik, nicht nur Sesselrücken innerhalb der alten Parteien", sagte Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. (David Krutzler, 1.9.2015)