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Ein "Herzlich willkommen"-Schild empfängt Flüchtlinge im burgenländischen Neudörfl. Mit den rund 50 hier untergebrachten Asylwerbern liegt die 4400-Einwohner-Gemeinde im österreichischen Mittelfeld.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Noch vor dem Ende der Sommerpause tritt am Dienstag der Nationalrat zur Behandlung des kontrovers diskutierten Durchgriffsrechts zusammen. In der Sondersitzung wird der Initiativantrag vorgelegt, der dem Bund die Möglichkeit einräumen soll, Unterkünfte für Asylwerber in Gemeinden zu schaffen.

Bisher verantwortete der Bund nur die Erstaufnahme von Flüchtlingen in den zentralen Betreuungsstellen. Da aber zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in den Monaten starken Zustroms von Asylwerbern keine Lösung für deren Unterbringung gefunden werden konnte, brachten SPÖ, ÖVP und Grüne das Durchgriffsrecht auf den Weg. Gemeinsam verfügen sie über die nötige Zweidrittelmehrheit, um das Verfassungsgesetz durchzusetzen.

Anzahl der in der Grundversorgung untergebrachten Personen (beispielsweise Asylwerber, Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte) nach Gemeinde, pro 100 Einwohner. Enthalten sind sowohl Bundes- als auch Landesquartiere.

Am Montag gab Neos-Chef Matthias Strolz die Unterstützung seiner Fraktion bekannt – und forderte einen Flüchtlingsgipfel in Österreich. Das Team Stronach und die FPÖ legen sich gegen das Verfassungsgesetz quer. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache befürchtet "einen Anschlag auf die Demokratie". Weil die FPÖ sogar die Terminfindung für die Parlamentsabstimmung boykottierte, legte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) den Termin mit Zustimmung der anderen Fraktionen auf 23. September fest.

Höhere Quote möglich

Dann soll das Gesetz beschlossen werden, das laut Entwurf "der menschenwürdigen, gleichmäßigen, gerechten und solidarischen Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden" dient. Angemessener Wohnraum, Schlafplätze und Sanitäranlagen, die "weder gesundheits- noch umweltgefährdend" sind, sollen bei Bedarf bereitgestellt werden, und zwar in einer Zahl, "die jedenfalls 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung beträgt". Ob Bedarf besteht, entscheidet die Bundesregierung. Sie behält sich auch eine Erhöhung des Richtwerts vor.

Eine mögliche Erhöhung der Quote ist einer der Hauptkritikpunkte des Gemeindebunds, der in einer Stellungnahme einige Abänderungen fordert. Aus der SPÖ ist dazu zu hören, dass dieser Punkt als fix gilt. Begründet wird dies damit, dass Flüchtlingsbewegungen dynamische Prozesse sind und es eine flexible Quote brauche. Bei der ÖVP gibt man sich ganz allgemein diskussionsbereiter. Diverse Einwände werde man sich im Ausschussverfahren noch ansehen.

Sorge um die Umwelt

Mödlhammer bereitet weiters Sorge, dass dann neue Quartiere nicht nur auf Fläche, die bereits dem Bund gehört, errichtet werden dürfen. Bei Anmietung von Grünland könnten dabei "naturrechtliche Belange außer Acht gelassen werden", fürchtet Mödlhammer. Es brauche hier aber nun einmal Schnellverfahren, heißt es von der SPÖ. Seitens der ÖVP wird aber versichert, dass umweltrechtliche Auflagen "natürlich auch" eingehalten würden.

Neue Quartiere sind vor allem in Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern vorgesehen, eine geringere Bevölkerungszahl ist aber kein Ausschlussgrund. In Kraft treten soll das Gesetz mit 1. Oktober und vorerst bis 31. Dezember 2018 gelten. Wie aktuelle Zahlen der Länder zeigen, sind die Gemeinden im Schnitt noch weit von den 1,5 Prozent entfernt. Laut den vom ORF erhobenen Daten stellen 63,5 Prozent der Kommunen nach wie vor keine Unterkunft bereit.

Mödlhammer gibt zu bedenken, dass aber rund die Hälfte der Gemeinden weniger als 2.000 Einwohner hat. Mödlhammer sagt auch, er erfahre täglich von Unterbringungsangeboten, die nicht genützt würden – unter anderem, weil sie den Betreibern zu klein wären.

Mehrere Quartiere im August

Im Bundeskanzleramt gibt man zu bedenken, dass das Durchgriffsrecht nicht zur Anwendung kommen müsse, wenn Länder und Gemeinden genügend Quartiere schaffen. Und es wirke bereits: Seit Einigung auf das Durchgriffsrecht (am 31. Juli) hätten die Länder bereits 3.000 Plätze geschaffen. Von Mai bis Juli seien es monatlich nur 2.200 gewesen.

In der Steiermark forderte die FPÖ am Montag einen Sonderlandtag zum sogenannten "Asylchaos". Da die Freiheitlichen seit der vergangenen Wahl im Mai über mehr als ein Fünftel der Abgeordneten verfügen, können sie allein einen solchen Landtag innerhalb von fünf Werktagen verlangen. Das Büro von Landtagspräsidenten Bettina Vollath (SPÖ) bestätigte, dass die Sitzung für nächsten Montag (7. 9.) um 10.00 Uhr anberaumt wird. Bis kurz vor der Sitzung kann jede Fraktion noch dringliche Anfragen einbringen – nicht nur zum Thema Asyl. "Wir werden im Rahmen einer dringlichen Anfrage 29 Fragen an den Landeshauptmann stellen. Wir erwarten uns konkrete Aussagen zum Durchgriffsrecht des Bundes", so der blaue Klubchef Mario Kunasek. (cms, mcmt, spri, 31.8.2015)