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Vasiliki Thanou-Christofilou leitet die griechische Übergangsregierung.

Foto: REUTERS/Stoyan Nenov

Man braucht schon einen Familienclan oder die Verfassung, um als Frau in die griechische Männerpolitik zu stürmen. Dora Bakoyannis und Zoe Konstantopoulou – ehemals konservative Außenministerin die eine, linke Parlamentspräsidentin die andere – hatten ihre Väter. Vasiliki Thanou-Christofilou hat den Artikel 37.

Scheitert die Bildung einer Regierung, so heißt es in der griechischen Verfassung, ernennt der Staatschef den Präsidenten eines der drei höchsten Gerichte des Landes übergangsweise als Premierminister.

Das Oberste Verwaltungsgericht wird an erster Stelle genannt, doch der Topjob ist gerade nicht besetzt. So kam es, dass die 65-jährige Präsidentin des Areopag, des Obersten Straf- und Zivilgerichts, nun Regierungschefin ist – als erste Frau in Griechenland.

Vasiliki Thanou wird nur rund einen Monat in der Villa Maximos sitzen, dem kleinen Amtssitz des Ministerpräsidenten in der Athener Innenstadt: Am 20. September sollen die Griechen zum zweiten Mal in diesem Jahr ein neues Parlament wählen. Danach wird es – den nötigen Ernst vorausgesetzt – möglicherweise noch eine Woche dauern, bis eine Koalition steht. "Wir werden unser Bestes tun, damit die Wahlen anstandslos durchgeführt werden", kündigte die Richterin in der ersten Kabinettssitzung am vergangenen Freitag an. Doch eine reine Technokratennummer wird das nicht: Vasiliki Thanou hat sich als streitbare Austeritätsgegnerin in der griechischen Öffentlichkeit einen Namen gemacht.

Gegen die Gehaltskürzungen im Justizapparat lief sie Sturm. Totalitär und arrogant nannte sie die frühere konservative Regierung von Premier Antonis Samaras. Als Thanou im Juni Präsidentin des Areopag wurde, lobte sie dagegen die Links-rechts-Koalition von Alexis Tsipras. Die habe endlich die "Rettung des Vaterlands" zur Priorität gemacht.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schrieb sie schon im Februar, nach dem Wahlsieg von Syriza, einen Brief. Brüssel solle Griechenlands neuen Kurs unterstützen, forderte die Richterin. Sie tat das damals in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der Union der Richter und Staatsanwälte; Kollegen kritisierten sie dafür.

Thanou wurde 1950 in Chalkida, der Hauptstadt auf der Insel Euböa, geboren. 1975, nach der Wiederherstellung der Demokratie in Griechenland, trat sie in den Justizdienst ein und kletterte über die Jahre die Karriereleiter hoch. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. (Markus Bernath, 30.8.2015)