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Beschädigen Flüchtlinge bei ihrem Grenzübertritt den Zaun zwischen Ungarn und Serbien, drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft.

Foto: AP Photo/Darko Bandic

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán verschärft die Gangart gegenüber den Flüchtlingen, die zu Tausenden durch sein Land ziehen. Die Parlamentsfraktion der Regierungspartei Fidesz reichte am späten Freitagnachmittag ein Gesetzespaket ein, das die Internierung von Flüchtlingen unmittelbar an der Grenze sowie Gefängnisstrafen für das Überwinden und Beschädigen des Zauns an der Grenze zu Serbien vorsieht. Die Bestimmungen dürften massiv gegen EU- und Völkerrecht verstoßen.

Das Paket könnte bereits in dieser Woche durch das Fidesz-dominierte Parlament gewunken werden. Seine Bestimmungen würden Mitte oder Ende September in Kraft treten. Praktisch handelt es sich um eine Notstandsgesetzgebung. Denn die Regierung wird künftig den sogenannten "Masseneinwanderungsnotstand" ausrufen können, der zu besonderen Maßnahmen ermächtigt. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn über einen Zeitraum von einem Monat hindurch täglich mehr als 500 Flüchtlinge an Ungarns Grenzen aufgegriffen werden – derzeit bewegt sich diese Zahl zwischen 2000 und 3000 Aufgegriffenen pro Tag.

Sonderbefugnisse

Der "Masseneinwanderungsnotstand" ermächtigt die Regierung dazu, die Flüchtlinge in einem 60 Meter breiten Streifen an der Grenze festzuhalten, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Der Gesetzesentwurf spricht von einer "Transitzone", doch faktisch handelt es sich um eine Internierung. Am Samstag wurde der Stacheldrahtzaun an der 175 Kilometer langen Grenze zu Serbien fertig, über die derzeit 99 Prozent der Flüchtlinge kommen.

Offenbar ist geplant, nach Inkrafttreten des Gesetzes die Migranten über Öffnungen im Zaun in die "Transitzonen" zu lenken. Wer aus eigener Kraft den Zaun überwindet, kann dann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden, wenn er ihn dabei beschädigt, drohen sogar fünf Jahre. Künftig wird auch die Armee gegen Flüchtlinge eingesetzt werden können. Regierungspolitiker kündigten an, dass die Sicherheitskräfte möglicherweise bald mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen die Migranten vorgehen werden.

Die Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sind entsetzt. "Das ist eigentlich unvorstellbar", meinte Anikó Bakony vom ungarischen Helsinki-Komitee zum STANDARD. "Ungarn wird damit gegen seine internationalen Verpflichtungen verstoßen. Indem es Flüchtlinge interniert. Indem es Flüchtlinge nur deshalb kriminalisiert, weil sie über eine Grenze gehen, über die sie auf andere Weise nicht gehen können." (Gregor Mayer aus Budapest, 30.8.2015)