Ausschnitt aus Mikl-Leitners vierseitigem Brief an die EU-Mandatare.

Foto: Faksimile

Wien/Brüssel – Als Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Donnerstagabend in der "ZiB 2" zu Gast war, kannte man das volle Ausmaß der Katastrophe, die sich in einem Lkw auf der A4 ereignet hatte, noch nicht. Mikl-Leitner forderte dort im Gespräch mit Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher "rasches europäisches Handeln". Die Innenministerin nannte dabei diesmal als erstes "Themenfeld", das man angehen müsse, nicht die Bekämpfung der Schlepperei, sondern sagte: "Zum Ersten geht es darum, legale Wege nach Europa zu schaffen." Also das, was Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International seit Monaten vehement fordern.

Stolz auf Frontex-Engagement

In einem Brief Mikl-Leitners an Mitglieder des EU-Parlaments, der mit 19. August datiert ist, von dem der grüne EU-Mandatar Michel Reimon sagt, er sei per Mail erst diesen Montag eingegangen, klingt die Ministerin ganz anders. Zwar betont sie auch in dem vierseitigen Schreiben, dass dem STANDARD vorliegt, dass sie über ihre Initiative "Save Lives" mit dem UNHCR "Aufnahmezentren in Drittstaaten" schaffen will, doch sie lobt auch ausdrücklich die restriktive Politik in Sachen EU-Außengrenzschutz, die sie voll unterstütze.

"Österreich unterstützt mit der Entsendung von Beamten bereits jetzt 13 Prozent der Frontex-Einsätze bei nur zwei Prozent Bevölkerungsanteil in der Europäischen Union", beschreibt Mikl-Leitner stolz das "österreichische Engagement zur Bekämpfung der illegalen Migration entlang der Westbalkanroute.

Als Beispiele nennt sie den Parlamentariern die Entsendung von Polizeibeamten an die serbisch-ungarische und serbisch-mazedonische Grenze sowie gemeinsame Zugkontrollen, die man innerhalb der EU gemeinsam mit Deutschland in Ungarn und Italien durchführe.

Reimon: "Selbstlob der Ministerin"

"Die Innenministerin würde den Brief jetzt wohl am liebsten verschwinden lassen, das geht aber nicht", kommentiert Reimon den Brief im Gespräch mit dem STANDARD zornig. In dem Brief schlug Mikl-Leitner auch einen gemeinsamen Termin in Brüssel vor.

"Noch am Montag hat sie sich selbst dafür gelobt, dass die EU die von ihr gewünschte Flüchtlingspolitik umsetzt", so der grüne Politiker, "dass sie zum Beispiel Flüchtlinge aus Zügen fischen lässt. Doch genau diese Kontrollen innerhalb der EU zwingen die Flüchtlinge, zwischen Ungarn und Österreich riskante Verstecke zu wählen. Deshalb müssen sie in einen Kühlcontainer steigen, in dem sie dann ersticken."

Die Ministerin nehme ein erhöhtes Risiko für weitere Tote in Kauf, wenn sie jetzt schärfere Kontrollen ankündige, so Reimon. "Wir brauchen legale Einreiserouten und Reisefreiheit für Flüchtlinge innerhalb der EU, jetzt sofort. Ab morgen", so Reimon, der für einen Gesprächstermin zwischen der Innenministerin und den Abgeordneten des EU-Parlaments "natürlich zur Verfügung stehe". (Colette M. Schmidt, 28.8.2015)