Vom Dandy in der Unterwelt zum Performer mit ernsten gesellschaftlichen Anliegen. Marc Almond, den Warhol schon verehrte, offenbart bildreich Metamorphosen.

Foto: Aufschlagseite aus der bei First Third Books publizierten Almond-Limited Edition, fotografiert von Lukas Friesenbichler.

“Reality is not what we see, but what we dis cover.“ Authentisch – wie es nur Ausnahmekünstlern gelingt – war er schon Engel, Teufel, Faun, Gott, Dämon, Angry Young Man, melancholischer Leichtmatrose, Punk mit Barock-Attitüde und der Grazie eines Renaissancefürsten, dämonischer Weißclown, Mephisto, Heiliger, nostalgische Diva, majestätischer Torero und Sklave, Caligula, Senecca, de Sade und Rimbaud. Voller Pathos, lyrischer Gestik, hinreißender Mimik, mal liebenswertem, mal satanischem Grinsen. Marc Almond, 1957 in Southport geboren, brilliert als exzentrischer Poet, kosmopolitischer Rockstar, Pop-Zar, klassischer Chansonnier, Nonkonformist, Erneuerer, Performancekünstler, als Interpret von Torch-Songs und Pop-Perlen, als Schauspiel-Punk.

Ausgestattet mit dem einzigartigen Timbre eines Crooners à la Frankie-Boy mit Post-Punk-Attitüde, ist er weltweit bis heute als Sänger des New-Wave-Duos Soft Cell in Erinnerung. Nun beschenkt uns der wunderbare Exzentriker mit einem Fotobuch. Dieses entführt uns als Zeitreise in seine bizarre Welt voller Obsessionen, Zauberwesen, absurder Komplexitäten, verwundeter Sinne, der Versuchungen, Abgründe und psychodelisch phosphoriszierenden Firmamente. Intensiv und elegant die Bildsprache, inszeniert von herausragenden Begabungen wie Pierre et Giles oder Jamie McLeod.

Zu verdanken haben wir das wunderschöne purpurfarbene Album First Third Books, die schon mit hochwertigen Hommagen an Punk und Saint Etienne überrascht haben. Grandios wird die Vielseitigkeit des Introvertierten, des Sensiblen augenscheinlich. Luzide die Metamorphosen, faszinierend die Dokumente juveniler Grenzgänge, auch des würdevollen Scheiterns, der Weg von Zazou, von Non Stop Erotic Cabaret zu Genet, Brel und Piaf. Als Ungeduldiger erfand er sich stets neu, versank in einer exotischen Demi monde der Blumen des Bösen, verlor sich in Champagnerbädern und Selbstmitleid.

Auferstanden als Phönix. Wieder Piaf, Aznavour, Weill, Eigenes. Innovativ mit Antony Hegarty, John Harle, Jeremy Reed et alii. Neuerdings auch Performances in Opern, Theatern in London, Edinburgh, Paris. Stichwort Poppea mit Benjamin Biolay und Oratorien wie The Tyburn Tree und Ten Plagues.

Wie Narziß und Goldmund, ewige Jugend und Weisheit, in Annäherung an absolute Vollkommenheit. Faces, faces, different faces. Gesichter, Masken, vereint in einem einzigen, einzigartigen Künstler. Großartig, genial, göttlich! (Gregor Auenhammer, Album, 2.9.2015)