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Hillary Clinton hat bisher schon Millionen US-Dollar gesammelt.

Foto: AP/Harnik

STANDARD: Im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft ist zuallererst die Fundraising-Maschine angelaufen. Jeder Bewerber versucht so viel Geld wie möglich zu sammeln. Wie beeinflusst Geld die Politik in den USA?

Christopher Gates: Die Kandidaten sind derzeit viel mehr daran interessiert, Spender zu umwerben, als Wähler. Der Wettbewerb dreht sich in diesem Jahr weder um Stimmen, weil niemand wählt, noch um Umfragen, weil sie so früh wenig bedeuten – es geht ums Geld. Als Kandidat wird man nicht ernst genommen, wenn man keinen Milliardär auf seiner Seite hat. Wir nennen diese Wahl die BYOB-Wahl: Bring Your Own Billionaire.

STANDARD: Der Wettlauf ums Geld wird zur Vorwahl der Vorwahl?

Gates: Absolut. Wenn du populär bist und keinen massiven Super-Pac hinter dir hast, wirst du nicht ernst genommen. Auf der anderen Seite: Wenn man wie Rick Perry in den Umfragen nicht populär ist, aber einen riesen Super-Pac hinter sich hat, kann man nicht ignoriert werden.

STANDARD: Was ist mit Bernie Sanders? Er will offiziell keine Unterstützung durch Super-Pacs, der Großteil seiner Spenden beträgt weniger als 200 Dollar. Ist er eine Ausnahme?

Gates: Er ist keine Ausnahme. Er kampagnisiert nicht für die Nominierung als Kandidat, er führt eine Kampagne für die Seele der Demokratischen Partei. Seine Kampagne ist um ein zentrales Thema aufgebaut: ökonomische Ungleichheit. Ich weiß nicht, in wie vielen Staaten er es auf den Stimmzettel für die Vorwahl schaffen wird, da er angekündigt hat, nicht den Demokraten beitreten zu wollen. Ohne Mitgliedschaft wird es schwer sein, die demokratische Nominierung zu gewinnen. Aber seine Kampagne zeigt, wie viel man mit vielen kleinen Spenden und vielen Freiwilligen erreichen kann. Hillary Clinton führt zwar auch eine Kampagne gegen den Einfluss von Geld in der Politik, jedoch hat ihr Super-Pac gerade erst eine anonyme Spende in Höhe von einer Million Dollar angenommen.

STANDARD: Seit der Oberste Gerichtshof die Beschränkungen für Spenden an Super-Pacs aufgehoben hat, wird hier viel Geld schnell verfügbar. Wie beeinflusst das die Wahlen?

Gates: Der Oberste Gerichtshof hat praktisch jede Grenze für Spenden aufgehoben. In den Büchern haben wir noch ein paar Begrenzungen, aber in der Praxis sind Wahlkampfspenden jetzt unbegrenzt. Super-Pacs können Spenden in Millionenhöhe annehmen. Aber auch neben ihnen gibt es viele Wege, wie Geld, auch anonym, fließen kann. Seit den Entscheidungen des Supreme Court befinden wir uns in einer Art Wilder Westen: Es gibt keine Grenzen mehr.

STANDARD: Super-Pacs müssen unabhängig von Kandidaten sein ...

Gates: Aber sie sind es nicht. Teil des Problems ist, dass wir eine Wahlbehörde (die Federal Election Commission, FEC) haben, die handlungsunfhähig ist. Da sitzen drei Demokraten und drei Republikaner. Die Wahlkommission hat schon klargestellt, dass sie für die Wahl 2016 keine Regeln durchsetzen kann. Eine der Regeln für Super-Pacs ist, dass sie den Namen der Kandidaten nicht im Namen führen dürfen. Jeb Bushs Super-Pac heißt "Right to Rise". Aber Carly Fiorinas Super-Pac nennt sich "Carly Fiorina for President". Eine offene Verletzung der Regeln, und die FEC kann nichts tun.

STANDARD: Sie haben Wege erwähnt, anonym zu spenden. Wie sehen die aus?

Gates: Es gibt viele Wege, Kampagnen Geld zu spenden. Wenn man wirklich anonym spenden will, kann man das über sogenannte Social Welfare Organizations tun.

STANDARD: Und noch immer Kampagnen unterstützen?

Gates: Nun, es gibt ein paar Regeln dafür, was man als solche Organisation sagen darf und was nicht. Beispielsweise muss es um Wählerbildung gehen, und man kann die magischen Worte "Vote for ..." nicht verwenden. Aber am Ende ist es noch immer Geld, das verwendet wird, um für einen bestimmten Kandidaten zu werben.

STANDARD: Mit Lawrence Lessig gibt es jemanden, der zumindest versucht, eine Kampagne rund um Wahlkampffinanzierung aufzubauen ...

Gates: Ähnlich dem, wie Bernie Sanders seine Kampagne rund um wirtschaftliche Ungleichheit aufbaut. Lessig führt eine Kampagne, um Bewusstsein für das Problem von Geld in der Politik zu schaffen. Das ist großartig.

STANDARD: Lessig sitzt auch im Vorstand der Sunlight Foundation. Steht bei einem Antreten nicht das Problem eines Interessenkonflikts im Raum?

Gates: Ich würde das nicht so sehen. Menschen in dieser Bewegung kennen Larry schon lange, und ich bin sicher, er würde seine Funktion zurücklegen, und das Ganze wäre kein Problem.

STANDARD: Gibt es eine wachsende Bewegung, die der Beeinflussung der Politik durch Wahlkampfspenden kritisch gegenübersteht?

Gates: Ja, es gibt eine Bewegung rund um Menschen, die mit der Verknüpfung von Geld und Politik nicht zufrieden sind. Lessig wird mit seiner Kampagne ein Hoffnungsschimmer für diese Bürger. Was mich nachdenklich macht, ist, dass es unterschiedliche Reaktionen gibt: Die einen sind besorgt und werden aktiv, die anderen kommen zu dem Schluss, dass das System zu kaputt ist. Die zucken mit den Achseln und sagen, was kann ich als unbedeutender Bürger schon tun? (Michael Bauer, 2.9.2015)