Kaum hat Zalando eine neue Werbekampagne gestartet, werden die redaktionellen Seiten der Zeitungen landauf und landab mit seitenlangen Berichten darüber geflutet. Die "Kronen Zeitung" etwa hatte ein Foto der "Drei Filmdiven für Online-Riese" sogar auf der Titelseite. Das Sensationelle dabei: Drei ältere, durchaus attraktive deutschsprachige Schauspielerinnen wurden als Testimonials der aktuellen Österreich-Kampagne eingekauft. Das ist doch wirklich berichtenswert, denn eigentlich sollten die drei ja schon ein Dasein als marmeladeeinkochende und enkelbetreuende Omas fristen! Zalando wird es jedenfalls freuen.

Ich mochte diese drei Schauspielerinnen bisher, habe sie als sehr sympathisch und auch intelligent eingeschätzt. Doch ihre Werbung für Zalando macht mich nachdenklich. Das Geschäftsmodell von Zalando, aber auch von Amazon und vielen anderen Onlineshops ist leider eines, das dem stationären Handel immer mehr das Wasser abgräbt. Man bestellt wahllos, probiert aus, probiert an, trägt vielleicht das eine oder andere Stück sogar einmal. Und schickt es dann einfach und kostenlos wieder zurück, weil es doch nicht gefällt, doch nicht passt oder weil man schon die nächste Bestellung im Internet getätigt hat. Diese Wegwerf- und Scheiß-dir-nichts-Mentalität ruiniert die kleinen und mittleren Fachgeschäfte – nicht nur in der Modebranche –, die vor wenigen Jahren noch das Rückgrat jeder Innenstadt-Einkaufslandschaft waren. Es gibt immer weniger davon – und dadurch natürlich immer weniger Jobs in Fachgeschäften. Haben die drei reifen Grazien auch darüber nachgedacht?

Man kann über die Qualität der Jobs im Verkauf geteilter Meinung sein. Überall gibt es schwarze Schafe. Aber Verkäufer oder Verkäuferin zu sein ist trotz des nicht hohen Kollektivvertragsgehalts mit gleichzeitig unattraktiven Arbeitszeiten – wer arbeitet schon gerne wochentags zum Teil bis 21 Uhr oder samstags bis 18 Uhr? –, der ständigen Anforderung, attraktiv auszusehen, über alles Bescheid zu wissen und dabei zu jeder Zeit und zu jeder Kundschaft freundlich zu sein, eine Alternative – und, wie mir Mitarbeiterinnen versichern, gar keine schlechte. Gerade dann, wenn man Ehe, Kinder und Haushalt mit einem Teilzeitjob unter einen Hut bringen will.

Aufmerksamkeit

Ich bin mit meinem Unternehmen in einem Modebereich tätig, der zwar auch, aber nicht so intensiv von der neuen Scheiß-drauf-Mentalität betroffen ist – im Bereich der Hochzeits- und Festmode. Natürlich gibt es Bräute, die stundenlang Kleider anprobieren und sich beraten lassen, um sich dann über eine chinesische Website ihr Brautkleid billigst nachschneidern und kopieren zu lassen. Aber es sind doch Einzelfälle, weil diese Billigkopien eben hinten und vorne nicht passen oder gar nicht erst geliefert werden.

Für ein kleines Unternehmen ist es sehr schwierig, Aufmerksamkeit zu erregen, denn Inserate in einer Tageszeitung sind teuer. Dafür könnte man auch eine Mitarbeiterin für ein Jahr anstellen. Landesweite Werbung können sich eigentlich nur große nationale und internationale Unternehmen leisten. Wählen diese ihre Testimonials geschickt, gibt es auch Berichterstattung dazu.

Tamtam

Bei kleinen Unternehmen braucht es den Zufall. Etwa ein chinesisches Hochzeitspaar, das mitten in Oberösterreich heiratet – mit Musikkapelle, Goldhaubenfrauen und viel Tamtam. Das interessiert dann auch die regionale Tageszeitung. Eine Erwähnung des Fachgeschäfts war natürlich nicht möglich – das wäre ja Schleichwerbung. Aber nur zwei Seiten davor wird auf einer ganzen Seite groß, und völlig gratis, über die neue, ach so außergewöhnliche Zalando-Werbelinie berichtet. (Christine Rührlinger, 28.8.2015)