Die Flüchtlingskatastrophe ist plötzlich näher gerückt: Die Dutzenden toten Menschen, die eingepfercht in einem Lkw auf der A4 bei Neusiedl gefunden wurden, lösen Betroffenheit aus. Diese Menschen müssen qualvoll erstickt sein. Dieser grausige Fund ist uns auch geografisch näher als die Todesmeldungen aus dem Mittelmeer. Diese Tragödie macht begreifbarer, welchen Lebensgefahren sich Menschen ausliefern, wenn sie sich zur Flucht entschließen.

Obwohl sich Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil bei der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz um einen nüchternen Tonfall bemühte, schilderte er das Grauen sehr eindringlich. Der daneben sitzenden Innenministerin Johanna Mikl-Leitner fiel aber nichts Besseres ein, als zu sagen: "Wer jetzt noch immer meint, Schlepper seien gutmütige Fluchthelfer, dem ist nicht mehr zu helfen." Wer vertritt solche Ansichten?Wem ist nicht mehr zu helfen? Schlepper machen ihre Geschäfte mit dem Leid von Flüchtlingen. Wer behauptet, dass das gutmütige Helfer seien?

Berlin setzt Dublin-Abkommen aus

Die Menschen, die ihr Heimatland verlassen, vertrauen sich ihnen an, weil es oft keine andere Möglichkeit mehr gibt, um Meere, Grenzen und Barrieren, die zur Abwehr von Flüchtlingen errichtet wurden, zu überwinden. Es gibt praktisch keine legale Möglichkeit mehr, um in Länder wie Österreich und Deutschland, die in der Mitte Europas liegen, zu kommen.

Deutschland hat diese Woche die Konsequenz gezogen und das sogenannte Dublin-Abkommen außer Kraft gesetzt. Denn eine Rückführung in Länder wie Griechenland, wo viele ihren ersten Asylantrag stellen, ist derzeit laut einem Urteil des EuGH ohnehin nicht möglich. Dieses System, das den Ländern im Süden überdies übermäßige Belastungen aufbürdet, ist gescheitert, und alle EU-Staaten sollten das formal abschaffen.

2001 wurde Botschaftsasyl abgeschafft

Die Politiker in den EU-Staaten können aber konkrete Schritte setzen, damit solche Tragödien nicht mehr geschehen. Eine Verschärfung der Grenzkontrollen würde das Schlepperunwesen nicht ausrotten. Eine völlige Abschottung wird nie gelingen.

Die EU-Staaten könnten aber wieder zulassen, dass Ausreisewillige Asylanträge in ihren Heimatländern stellen. Die Möglichkeit des sogenannten Botschaftsasyls wurde von Österreich 2001 unter Innenminister Ernst Strasser abgeschafft. Seither können im Ausland nur mehr engste Angehörige von bereits hier befindlichen Flüchtlingen um Zuzug ansuchen.

Wer bereits vor der Flucht klären kann, ob er überhaupt eine Chance hat, in dem Land seiner Wahl zu bleiben, wird die Reise nicht auf jeden Fall antreten. Auch die Einrichtung von Asylzentren an den EU-Außengrenzen würde den Schlepperverkehr innerhalb der Union reduzieren. Die Einrichtung und der Betrieb dieser Zentren dürfen aber nicht nur auf den betroffenen Mitgliedsländer lasten. Notwendig ist ein einheitliches Vorgehen der EU-Staaten – und zwar rasch. (Alexandra Föderl-Schmid, 27.8.2015)