Peking/Frankfurt/Wien – Die chinesischen Behörden reagieren mit weiteren Maßnahmen auf die Kursturbulenzen. Sie nehmen Aktienhändler ins Visier, weil sie illegale Geschäftspraktiken vermuten. Bereits im Juni hatte die Börsenaufsicht angekündigt, strenger gegen Marktmanipulation vorzugehen. Untersuchungen laufen derzeit gegen fünf große Brokerhäuser, darunter Branchenprimus Citic. Sie sollen ihre Kunden nicht ordnungsgemäß überprüft und identifiziert haben. Auch gegen Journalisten wird vorgegangen. Einem Reporter des angesehenen Wirtschaftsmagazins Caijing – sowie anderen Verdächtigen – wird die Verbreitung von Falschinformationen vorgeworfen.
Die chinesische Zentralbank wiederum pumpt weiter Liquidität in die Märkte. Die obersten Währungshüter stützen den Interbanken-Geldmarkt kurzfristig mit 140 Milliarden Yuan, knapp 19 Milliarden Euro. Am Dienstag hatte die Zentralbank die Leitzinsen gesenkt – zum fünften Mal seit September. Am Mittwoch stabilisierten sich die Börsen in Fernost etwas. Zwar schwankten die Kurse zu Handelsbeginn zwischen Gewinn und Verlust, zu Handelsende lag Schanghai aber über ein Prozent im Plus.
Mehr Freiräume
Zudem bekommen chinesische Banken künftig mehr Freiräume bei der Vergabe von Krediten – sie müssen weniger Geldreserven halten. Das soll die zuletzt schwächelnde Konjunktur stützen. Ob diese Maßnahme den Banken hilft, ist fraglich. Diese leiden unter der hohen Anzahl fauler Kredite in ihren Portfolios. Die fünf größten Geldinstitute dürften höhere notleidende Darlehen und geringeres Gewinnwachstum vermelden, wenn sie diese Woche ihre neuen Geschäftszahlen vorlegen. Banken versuchen angesichts der schwindenden Gewinne mehr Geld über Gebühren einzunehmen. Für die chinesische Notenbank ist der Schuldige an den negativen Konjunkturaussichten aber bereits gefunden: Die amerikanische Notenbank Fed habe durch die Aussicht auf eine baldige Zinserhöhung die Turbulenzen an den Börsen ausgelöst, hieß es aus Kreisen der chinesischen Zentralbank.
China bremst Deutschland
Die Sorge um die chinesische Konjunktur bleibt auch in Europa nicht ohne Auswirkungen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet zwar ein deutliches Wachstum im dritten Quartal – danach prognostizieren die Wirtschaftsforscher eine Abkühlung der deutschen Wirtschaft. DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichter nannte neben der Sorge um die chinesische Wirtschaft auch die angespannte Lage im Euroraum und die schwächelnde Weltkonjunktur als Gründe für die trüben Aussichten. Die deutsche Industrieproduktion wächst kaum – auch die Investitionen entwickeln sich aufgrund der ungewissen Entwicklung der Absatzmärkte schleppend.
Kein europäisches Land ist so abhängig vom China-Geschäft wie Deutschland. Im ersten Quartal landeten 5,4 Prozent der deutschen Ausfuhren im Reich der Mitte. In Frankreich waren es 3,2, in Großbritannien 3,1 Prozent. Die deutsche Industrie erwartet eine weitere Verschlechterung des China-Geschäfts.
Inflationsziel in Gefahr
Den Rest besorgt der Ölpreisverfall. Er dämpft den Preisauftrieb und untergräbt so die Bemühungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die zu niedrige Inflation anzukurbeln. Im Juli lag sie bei 0,2 Prozent. Die EZB kündigte angesichts der Sorgen um die chinesische Wirtschaft an, ihr Anleihenkaufprogramm notfalls weiter auszuweiten. Chefvolkswirt Peter Praet sieht das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent gefährdet – und ist willens, die Feuerkraft des ohnehin riesig angelegten Programms weiter zu erhöhen: "Es sollten keine Missverständnisse darüber aufkommen, dass der EZB-Rat willens und auch fähig ist, falls nötig, zu handeln." Dass der Rohölpreis steigen wird, gilt als unwahrscheinlich, das Überangebot am Markt ist enorm. (Reuters; dpa; luis, 27.8.2015)