Wolfgang Fellner kann einem auch einmal leidtun. Da erklärt der Vater eines IS-Terroristen zunächst, dass er die Zeitung Österreich für "eine Art offizielles Organ der Republik Österreich" gehalten hat (ein Irrglaube, der möglicherweise seinen Sohn zur Verbrennung seines österreichischen Reisepasses inspiriert haben könnte), dann zeigt er die Zeitung auch noch an, weil sie ein Interview mit ihm veröffentlichte, das angeblich nie stattgefunden hat. Die daraufhin von anderen Medien genüsslich ausgewalzte Meldung "Österreich erfindet Interview" hat einerseits "Hund beißt Mann"-Qualität (wann wird endlich auch einmal geschrieben, dass ein Österreich-Interview tatsächlich stattgefunden hat), andererseits spricht aus ihr auch ein gewisses Neidgefühl auf die vom engen Korsett tatsächlicher Wortspenden befreite Kreativität des Fellner-Blatts.

Gerüchteweise dürfen wir uns bald schon auf die nächsten topexklusiven Sensationsinterviews freuen, nämlich mit Elvis Presley ("Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten! Wenn sich sogar dieser Gabalier auf mich beruft, kann ich nicht länger schweigen."), Jörg Haider ("Natürlich war es ein Mordversuch! Man hat mir Benzin in den Tank und Alkohol in den Wodka geschmuggelt.") und dem Propheten Mohammed ("Was für Karikaturen? Das in Charlie Hebdo sind alles Fotos!").

Und ganz ehrlich: Ist es wirklich so schlimm, ein Interview zu erfinden, bevor man sich endlos darüber grämt, dass eine bestimmte Person zu einem interessanten Thema einfach nichts sagen will?

Mir zum Beispiel geht es derzeit so mit unserer Nationalratspräsidentin Doris Bures. Immer noch warte ich auf eine angemessene Stellungnahme ihrerseits zu den massiven Vorwürfen des Rechnungshofs bezüglich der offensichtlichen Schiebung bei der Vergabe einer Werbekampagne des damals von ihr geleiteten Verkehrsministeriums.

Also etwas in der Art: "Wenn bei der Präsentation einer Kampagne eine Agentur mit doppelt so vielen Punkten wie die Zweitplatzierte gewinnt, ist das eine klare Sache. Wenn daraufhin eines meiner damaligen Kabinettsmitglieder verlangt, dass die zweitplatzierte Agentur zu gewinnen habe, ist das eine merkwürdige Sache. Wenn daraufhin das Bieterverfahren neu ausgeschrieben wird, die zweitplatzierte Agentur den ursprünglichen Siegerslogan 'Alkofahrten sind das Letzte' zu 'Alkohol am Steuer. Das Letzte' variiert und einen nahezu identen Werbespot präsentiert, ist das eine schmutzige Sache. Wenn sie damit die Ausschreibung gewinnt, woraufhin drei Mitglieder der Vergabekommission aus Protest ihren Job quittieren, ist das eine übelriechende Sache. Wenn die dadurch siegreiche, als SPÖ-nahe geltende Agentur um 32 Prozent teurer als der Bestbieter ist und in der Folge 1,35 Millionen Euro für Inserate ausgegeben werden, die hauptsächlich aus einem Foto von mir bestehen, dann ist das eine durch nichts mehr zu rechtfertigende Sache, für die ich mich an dieser Stelle bei allen Steuerzahlern aufrichtig entschuldigen möchte."

Praktischerweise könnte dieses nie gegebene Interview gleich dort erscheinen, wo man von den Bures-Inseraten am meisten profitiert hat: in Wolfgang Fellners Österreich. (Florian Scheuba, 26.8.2015)