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"Herzlich willkommen"-Schild auf dem Gelände des Flüchtlingshauses Neudörfl im Burgenland.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Immer mehr Menschen in Österreich haben persönliche Begegnungen mit Flüchtlingen – zufällig und überraschend oder beim Versuch zu helfen. Hier finden Sie die ersten Eindrücke unserer User:

"Welcome to Austria"

Ich arbeite in einem Growshop. Da ich Frühaufsteher bin, sitze ich oft schon lange vor Ladenöffnung im Büro, trinke Kaffee und rauche.

Vor einigen Wochen – Traiskirchen beginnt sich gerade zur unbestreitbaren Katastrophe zu entwickeln – klopft jemand in der Früh an das Schaufenster. Ich öffne einigermaßen genervt, weil ich nicht gerne schon vor Beginn meiner Arbeitszeit zu Tätigkeit gedrängt werde.

Statt ungeduldiger Kunden stehen zwei sehr junge Männer vor der Tür, mit schüchternem Gesichtsausdruck. Sie riechen, als hätten sie ein paar Tage nicht geduscht, und sind auf eine eigentümliche Weise ärmlich gekleidet: durchaus hochwertige und irgendwie beinahe elegante Kleidung, aber zerschlissen und schmutzig.

Der eine sagt fragend: "Train station?" Ich versuche, den Weg zum Westbahnhof zu beschreiben, und erkläre mit Händen und Füßen, wie lange sie wohl bis dahin brauchen werden. Er setzt nach: "Way to camp? UNHCR?" Ich denke mir: "Scheiße, wie erkläre ich den beiden, dass ihnen dort die Hölle bevorsteht?", und bringe nur hervor, dass Traiskirchen außerhalb der Stadt liegt.

Die beiden bedanken sich und wenden sich in die Richtung, die ich ihnen gezeigt habe. Ich bleibe mit einem tauben Gefühl stehen. Gerade noch rechtzeitig fällt mir die einzige echte Hilfe ein, die ich den beiden wirklich geben kann. Ein Griff in die Hosentasche, ein Blick ins Geldbörsl, verdammt, nur 20 Euro, gewöhnlich habe ich mehr bei mir.

Ich laufe ihnen ein kurzes Stück hinterher, drücke dem einen den Geldschein in die Hand, sage: "Welcome to Austria." Er schaut mich mit großen Augen an, sagt "Thank you", ich drehe mich um und gehe zurück. Ich hoffe, dass den beiden der Aufenthalt in Traiskirchen erspart geblieben ist.

Flo Z., 36, Wien

Nächster Lerntermin: Grundsätzlich morgen!

Ich helfe seit kurzer Zeit einem 15-jährigen Buben aus Syrien dabei, Deutsch zu lernen. Er ist noch nicht sehr lange in Österreich und versteht entsprechend wenig, doch mit einem Bildwörterbuch ließ das eine oder andere Aha-Erlebnis nicht lange auf sich warten.

Nach zwei Stunden wusste er bereits, dass es beispielsweise "ein rotES Heft", aber "einE rotE Mappe" heißen muss. Er konnte das auch problemlos auf andere Vokabeln übertragen, denn die Artikel hatte er zu meiner Überraschung brav mitgelernt. Auf diese Weise konnte ich schon in Erfahrung bringen, dass Rot seine Lieblingsfarbe ist und er gerne mit dem Rad fährt und Fußball spielt, dass Schwimmen aber am meisten Spaß macht und Boxen beziehungsweise Klettern fürchterliche Sportarten sind.

Die Begeisterung darüber, die Sprache lernen zu dürfen und sich ein bisschen besser verständigen zu können, ist unvorstellbar. Bei den Verhandlungen über den nächsten Lerntermin lautet der Vorschlag des Buben grundsätzlich: Morgen! Da werde ich dann erfahren, ob er lieber Regen oder Sonnenschein mag, denn es steht "das Wetter" auf dem Programm.

Petra B., 35, Wien

Endlich Boden unter den Füßen spüren

Vor etwas mehr als vier Wochen hatte ich den ersten Kontakt mit den Flüchtlingen in der Zeltstadt in Krumpendorf. Während eines von der Initiative "Lust auf Gerechtigkeit" kurzfristig organisierten Konzerts konnte ich mich mit einigen der Geflohenen unterhalten. Zwar nur kurz und per Smalltalk, aber immerhin war meine innerliche Skepsis schon kleiner geworden.

Nach einem weiteren Konzert in der darauffolgenden Woche lud ich einige der Bewohner der Zeltstadt zu einem Umtrunk ein. Meine Gattin, meine Kinder und ich hatten sofort einen guten Draht zu den Menschen, und wir scherzten bei einem Getränk und konnten unsere gegenseitige Freude zeigen. Auch das Thema Alkohol wurde angesprochen. Obwohl viele Muslime unter den Freunden waren, gab es nur einen, der keinen Alkohol trank.

Dann gab es die große Zäsur, weil zwei Leute zuerst nach Thalgau, dann nach Ramingstein in Salzburg verlegt wurden. Das erste Mal wurde mir bewusst, dass die Zeltlager zwar nicht die beste Lösung sind, dass aber durch die Unterbringung an unterschiedlichen Orten Freundschaften gezwungenermaßen auseinandergerissen werden.

Am darauffolgenden Tag wurde ein weiterer unserer nunmehrigen Freunde verlegt, sodass ein irakischer Freund allein zurückblieb. Trotz der sprachlichen Barrieren und dank meines Übersetzers am Handy haben wir den Kontakt intensivieren können. Wir luden unseren Freund Ali zu uns ein, und schon nach kurzer Zeit sagte er uns, dass er sich nicht wie ein Gast, sondern wie ein Mitglied der Familie fühlt. Das war eine wirklich nette Auszeichnung für uns.

An einem Abend grillten wir und nahmen natürlich auch auf die Essgewohnheiten unseres Freundes Rücksicht – Schweinefleisch und Alkohol sind für ihn zwar tabu, aber er hat kein Problem damit, wenn wir es essen und trinken, und das traditionelle Frauenbild bröckelt zusehends.

Ali hat inzwischen das Zeltlager in Krumpendorf verlassen und wohnt nun in einer WG in Klagenfurt. Wir besuchen gemeinsam unsere Freunde in Ramingstein. Es ist für mich sehr schön zu sehen, welche Freude alle meine neu gewonnenen Freunde an den gemeinsamen Nachmittagen haben. Ich freue mich schon auf ein weiteres Wiedersehen. Vor allem halte ich allen die Daumen, dass ihre Asylverfahren positiv für sie zu Ende gehen und sie endlich Boden unter den Füßen spüren.

Thomas Schurian, 44, Krumpendorf am Wörthersee