Die mazedonische Polizei hat Blendgranaten gegen Flüchtlinge eingesetzt, die über die Grenze nach Serbien wollten. Vergeblich, aber man konnte im TV sehen, dass fast alle Kinder dabeihaben. Blendgranaten ("stun grenades") werden meist in Situationen eingesetzt, wo man durch den irrsinnig lauten Knall und den Blitz den Gegner (etwa Geiselnehmer) betäuben will.

Blendgranaten gegen Flüchtlingskinder, das machen wir in Österreich nicht. Wir sind aber gut in bürokratischer Hilflosigkeit.

Die Stadt Wien hat sich bereiterklärt, völlig alleinstehende Flüchtlingskinder aus Traiskirchen unter 14 (!) in ihre Obhut zu übernehmen. Das läuft so: Die Firma ORS, die im Auftrag des Innenministeriums Traiskirchen "managt", erstellt eine Liste. Mitarbeiter der Grundversorgung kommen mit der Liste nach Traiskirchen und wollen die Kinder abholen. Aber: Einige sind nicht da, konkret immerhin vier von 20. Weg. Unauffindbar. Die ORS zuckt die Achseln. Das Innenministerium zuckt die Achseln. Die Kinder seien "nicht inhaftiert".

Es gibt aber so etwas wie Obsorgepflicht, sagt der Leiter der Wiener Grundversorgung. Und man könne nur hoffen, dass die Kinder (13- bis 14-jährige Afghanen) schon in Schweden bei Verwandten oder sonst wo sind und nicht Opfer eines Verbrechens wurden. Man wisse, dass auf den Fluchtrouten Kinder und Jugendliche in (sexuelle) Sklaverei gerieten. Die Fairness gebietet die Anmerkung, dass es auch abgängige Jugendliche ohne Asylbezug gibt. Und dass man keine 24-Stunden-Beaufsichtigung garantieren kann.

Aber das Problem ist eben das "System Traiskirchen". In einem riesigen, überfüllten Lager kann man eben Kinder und Jugendliche nicht effizient beaufsichtigen. Das geht besser in kleineren, dezentralisierten Einheiten, gegen die sich aber viele Gemeinden starrsinnig wehren. Da kommt es dann zu Ereignissen wie diesem: Mitarbeiter des Donauspitals (SMZ Ost) berichten, dass vor kurzem die Polizei um drei Uhr früh (!) mit 17 syrischen Flüchtlingen, darunter elf Kinder unter fünf Jahren, erschien. Die hätten in Traiskirchen (Aufnahmesperre) keinen Platz mehr gefunden, bräuchten aber dringend Essen und Trinken. Einige der Kleinkinder fieberten. Das Spital nahm sie auf, versorgte sie. Die Frage an die Polizei, was man dann mit ihnen machen solle, wurde mit Achselzucken beantwortet. Inzwischen sind sie in einem Heim des Arbeitersamariterbundes untergebracht.

Im Ressort der zuständigen Wiener Stadträtin, Sonja Wehsely sagt man: "Wien betreut 10.000 Flüchtlinge, wir schaffen es, den Überblick zu behalten." Wien hat eine lange, unterm Strich funktionierende Tradition der sozialen Betreuung. Das Innenministerium hat diese Ressourcen nicht oder kaum, es ist auf Sicherheit, nicht soziale Fürsorge ausgerichtet.

Aber das Problem scheint zu sein, dass man sich an der Spitze des Innenministeriums abblockt, sich nur zögernd oder gar nicht helfen lassen will, weil man Schwäche nicht zugeben kann. Das ist kontraproduktiv und unprofessionell. (Hans Rauscher, 25.8.2015)