Reinhold Mitterlehner im ORF-"Sommergespräch" mit Moderator Hans Bürger.

Wien – "Manchmal sind wir leichte Schwindler." So erklärte Vizekanzler und ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner am Montag im ORF-"Sommergespräch", wie aus seiner Sicht die im internationalen Vergleich lange Jahre geringe Arbeitslosigkeit zustande kam. "Wir haben vieles dadurch erkauft, dass wir früher in Pension gegangen sind. Dieses Dahinschleppen fällt uns jetzt statistisch auf den Kopf."

Ein Blick auf die ökonomischen Fakten legt nahe: Einen Zusammenhang zwischen niedrigem Pensionsantrittsalter und einer niedrigen Arbeitslosigkeit gibt es tatsächlich. Mitterlehners These, man könne sich allein dadurch günstige Arbeitslosenquoten erkaufen, hält einem genaueren Blick aber nicht stand.

Großes Plus bei Arbeitskräften

In erster Linie ist die Quote nämlich vom Wirtschaftswachstum abhängig. Wifo, IHS und Nationalbank prognostizieren bis 2019 ein Wachstum zwischen 1,6 und 1,9 Prozent pro Jahr. Weil jährlich zehntausende zusätzliche Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt drängen, wird die Arbeitslosigkeit trotz eines Wachstums auch bei den neu geschaffenen Stellen weiterhin steigen. Selbst bei besserer Konjunktur wäre es schwierig, allen Neuzugängern zu einem Job zu verhelfen.

"Auch die sozialpolitischen Versuche, Menschen länger im Arbeitsleben zu halten, haben natürlich eine Auswirkung", sagt Thomas Leoni, Arbeitsmarktexperte beim Wifo. Ältere Arbeitnehmer machten aber nur einen Teil des Arbeitskräftewachstums aus. Mit Stichtag 1. 7. 2015 gab es laut AMS im Vergleich zum Vorjahr bei den 50- bis 64-jährigen Arbeitskräften (Erwerbstätige und Arbeitlose zusammen) ein Plus von 66.000 Personen.

Das ist aber nicht in erster Linie auf Pensionsreformen zurückzuführen. Die stärkere Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt trägt ebenso zum Anstieg bei wie neu dazugekommene ausländische Arbeitnehmer in diesem Alterssegment. Laut Leoni ist außerdem rund die Hälfte des Anstiegs des Arbeitskräfteangebots in der Generation 50+ darauf zurückzuführen, dass die kinderreichen Jahrgänge der 1960er-Jahre nun in dieses Alter kommen. Außerdem hätten diese eine höhere Ausbildung als frühere Generationen, was ebenfalls zu einer längeren Arbeitstätigkeit beiträgt.

Konjunkturpaket angekündigt

Als Wirtschaftsminister stellte Mitterlehner übrigens ein Konjunkturpaket zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit in Aussicht. Eine Sprecherin erklärte auf Nachfrage, dies habe nichts mit dem für September geplanten Arbeitsmarktgipfel zu tun. Inhaltlich wollte man nichts verraten. Laut Mitterlehner soll das Paket in den kommenden Tagen präsentiert werden. (Simon Moser, 25.8.2015)