Aleksandar Vučić

Serbischer Premier: "Wir müssen Kompromisse machen und da muss man Zugeständnisse machen. ... Und ich denke es geht um eine neue Atmosphäre. Es gibt keine Konkurrenz mehr, wie dies früher war."

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Bei dem Treffen der Ministerpräsidenten Serbiens und des Kosovo, Aleksandar Vučić und Isa Mustafa, in Brüssel kommt die seit langem erwartete Bildung der Gemeinschaft der serbischen Gemeinden im Kosovo zustande. Ein Abkommen, auf das seit fast zweieinhalb Jahren gewartet wird. Vom Erfolg der Gesprächsrunde hängt auch ab, wann Brüssel das erste Verhandlungskapitel mit dem EU-Beitrittskandidaten Serbien eröffnet, aber auch die Visa-Liberalisierung für den Kosovo.

STANDARD: Wird heute die längst fällige Einigung zur Schaffung einer Gemeinschaft serbischer Gemeinden im Kosovo zustande kommen? Und was bedeutet das?

Vučić: Ich bin sicher, dass wir dieses Abkommen heute erzielen werden, das ist auch die Vollziehung der Brüsseler Vereinbarung. Und es ist sehr wichtig für die serbische Gemeinschaft im Kosovo, um im Dialog mit Prishtina weiterzukommen und für die gesamte Atmosphäre auf dem westlichen Balkan. Wir werden in der Lage sein, mit allen anderen Themen, mit dem freien Waren-, Kapital- und Personenverkehr weiterzumachen. Und ich hoffe auch, dass wir die anderen Themen, die Telekommunikation, die Energiefragen und die Brücke in Mitrovica, lösen können. Das wird mehr Stabilität für die gesamte Region bringen.

STANDARD: Wird der Verband der serbischen Gemeinden exekutive Rechte haben, wie dies von serbischer Seite immer wieder gefordert wurde?

Vučić: Ich rede nicht in dieser Weise. Ich spreche über Ziele und Aufgaben, die die serbische Gemeinschaft zu erfüllen hat. Und ich will nichts Schlechtes über unsere Kollegen in Prishtina sagen. Wir müssen Kompromisse machen, und da muss man Zugeständnisse machen. Wir beide müssen das auch in Zukunft tun. Und ich denke, es geht um eine neue Atmosphäre. Es gibt keine Konkurrenz mehr, wie dies früher war.

STANDARD: Bei dem Gipfel in Wien wird auch die Initiative zum Austausch von Jugendlichen auf dem Balkan konkreter. Welche Vorstellungen sollen serbische Jugendliche in Zukunft über "die Albaner" oder "die Kroaten" haben?

Vučić: Wir hatten eine sehr schlechte Haltung gegenüber einander, für Jahrzehnte, beinahe für Jahrhunderte. Bevor Edi Rama (der Premier von Albanien, Anm. der Red.) und ich begonnen haben, einander zu treffen, fand das letzte Treffen zwischen einem serbischen und einem albanischen Führer im Jahr 1946 in Belgrad statt. Können Sie sich das vorstellen? Das ist 70 Jahre her. Und jetzt sehen wir uns regelmäßig alle zwei, drei Monate, und wir sprechen sehr offen miteinander, und ich denke, dass wir viele gemeinsame Sichtweisen teilen und dass wir unsere gemeinsame Zukunft verbessern können. Die Hauptidee war, dass wir alle unsere Vorurteile überwinden sollten, vor allem die jungen Leute. Die existieren ja noch. Das kann für beide Nationen wichtig sein. Ich bin sehr zufrieden, dass Edi unsere Idee akzeptiert hat. Es war unsere Initiative, und die funktioniert.

STANDARD: Wollen Sie den Ethnonationalismus überwinden, der auf dem Balkan noch so stark ist?

Vučić: Ich denke, dass er stark ist und dass wir das überwinden können, indem wir verantwortlicher werden könnten zum Wohle unserer Leute. Das wäre eine große Errungenschaft auch für die Albaner und auch für alle anderen. Es ist ein gutes Beispiel, wie die Dinge in Zukunft funktionieren könnten.

STANDARD: Sie werden in Wien auch Vertreter der Zivilgesellschaft treffen, und dabei wird es auch um Meinungsfreiheit geben. Es gab in den vergangenen Monaten massive Kritik auch in Serbien über mangelnde Medienfreiheit. Was werden Sie tun, um die Situation zu verbessern?

Vučić: Wir haben bereits drei Mediengesetze in Übereinstimmung mit den europäischen Standards verabschiedet. Das wird von der EU begrüßt. Und wir werden alles tun, was die EU glaubt, dass wir tun sollten. Die Kritik war eher ein politisches Thema. Aber wir sind bereit, wir sehen, dass es Leute gibt, die Sorgen haben in dieser Sache. Wir werden das in einer guten Art bewältigen, und wir werden für echte Demokratie sorgen. Wir sind bereit, die Rechte für Meinungsfreiheit und Medienfreiheit zu verbessern. Ich habe keine Angst, dies zu sagen. (25.8.2015, Adelheid Wölfl)